Ferdinand Kramer (1898-1985) gilt als einer der
wichtigsten Architekten und Designer der deutschen
Gestaltungsmoderne. Mit neuen Vorstellungen vom Gebrauch der Dinge –
den Begriff „Mobiliar“ nahm er wörtlich – verlieh er den sich
verändernden Lebensverhältnissen im 20. Jahrhundert Ausdruck und
Gestalt.
Die Ausstellung im MAK kann nur etwas wie ein kleiner Vorläufer zu
einem viel größeren Projekt sein, das sich mit diesem Architekten
und Designer als gestalterisches Phänomen befasst. Viel zu viele
Fragen werden aufgeworfen bei der Beschäftigung mit diesem Praktiker
der Alltagsgestaltung. Die politischen Dimensionen für die Stadt
Frankfurt sind bisher unabsehbar, wenn es darum geht, über den
Erhalt seiner Bauten im Stadtbild zu sprechen und zu entscheiden.
Manches steht unter Denkmalschutz, anderes ist umstritten, wie die
containerartigen Hörsaalbauten in der Gräfstraße oder die
Universitätsbibliothek an der Bockenheimer Warte.
Wie für ein Warenhaus schuf Kramer flexible Möbel zum
Selbst-Zusammenbauen, modulare Möbelsysteme sowie zerlegbare Tische
und Schränke. Ganze Generationen wurden durch sein Design
mitgeprägt. Das schlichte grau in grau seiner Möbel hat zunächst
etwas abstoßendes, was aber im Kontext im Verständnis der Zeit angebracht
schien und modern war. Denn in seinen Entwürfen steckt
Nachkriegsideologie, wie sie unter anderem die Amerikaner und mit
diesen die Besatzungsmächte nach Frankfurt a/M brachten. Das war
nicht allein Geschmacksache, sondern verfolgte das Ziel der
Umerziehung einer gesamten Gesellschaft. Und wer ist für Umerziehung
am besten geeignet? Generationen an Studierenden hausten in diesen
Möbeln, belegten Tische und Stühle um Unterlagen auszubreiten und
um die graue Gehirnmasse anzuregen. Diese Möbel waren so sehr
praktisch, dass sie, so hieß es zumindest immer, sogar im
sozialistischen Osten der früheren DDR gefallen hätten. Dies, obwohl Ferdinand Kramer niemals, wie andere seiner
Zeitgenossen z.B. Ernst May, den Weg nach Moskau ging. Kramer blieb
stets am Westen orientiert. Das zeigt, wie die Besatzungsmächte
ausgerichtet waren, indem einerseits der Segen des Wohlstands
propagiert wurde, in ihren Wesenszügen aber eine streng funktionale
fast puristische Disziplin das Sagen behielt. Beispiel ist der
logisch durchdachte Aufbau von Büroeinrichtungen in Modellbauweise
mit den Grundformen aus Vierecken, Kreisen und Dreiecken. Ein wenig
wie aus der Mengenlehre gewonnen, ein Marshall-Plan in Kleinformat.
Es ist die Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen, das Mitdenken
des – immer auch sozialen – Umraumes in einem Prozess des
Gestaltens, der sich aus dem Geist einer veränderten Sicht auf die
Welt speist. Attribute wie Einfachheit, Variabilität, Klarheit und
Benutzbarkeit zeichnen seine Arbeiten bis in die Gegenwart aus.
Zugleich wurden Lücken geschlossen, wenn auch etwas stocklastig.
Bauten und Möbel waren immerhin der Neuanfang nach der Aufräumarbeit
aus Trümmern und Baufälligkeit. Die vielfältigen Reformen und das
'Neue Frankfurt' Anfang des 20. Jahrhunderts waren mit das
Fortschrittlichste, was im Anschluss an die Charta von Athen (CIAM)
zur Stadtentwicklung geschehen konnte.
Über 100 Exponate – Lampen, Öfen und Kannen aus den frühen
1920er Jahren, genormten Fenster- und Türbeschlägen sowie Klein- und
Typenmöbel aus der Zeit des Neuen Frankfurt, mit Zeichnungen und
Werken aus der Zeit von Kramers Emigration in die USA, zahlreichen
Beispielen aus dem Inventar der Goethe-Universität Frankfurt und
seltenen Objekten aus dem Besitz der Familie stellt die Ausstellung
im MAK vor.
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Auf dem Foto: Leihgeberin Gerda Breuer
und Museumsleiter Matthias Wagner K am 05. Februar 2014 im
MAK |
Präsentiert werden neben Leihgaben aus dem Universitätsarchiv
Frankfurt vor allem jene Sammlung von Designobjekten Ferdinand
Kramers, die von Gerda Breuer während ihrer Tätigkeit an der
Bergischen Universität Wuppertal aufgebaut wurde. Ergänzt
werden die historischen Stücke durch eine Auswahl an in Reedition
nach Original-Entwürfen Kramers gefertigten Möbeln von e15,
die zeigen, dass Kramers Arbeiten auch für die heutige
Designindustrie aktuell und relevant sind.
Ferdinand Kramer Kollektion
Zur Ausstellung ist ein 400seitiger dehnbarer Katalog aus dem Ernst
Wasmuth Verlag erschienen, herausgegeben von Gerda Breuer mit
zahlreichen Beispielen aus dem Mobiliar Kramers mit technischen
Erläuterungen aber auch einigen
Grundrissen und Fotos seiner Gebäude, wie Wohnhäuser in Frankfurt
Westhausen im 'Neuen Frankfurt', woran er als Mitarbeiter Ernst Mays
mit Bauprojekten beteiligt war. Bemerkenswert sind die
Patente, die Kramer während seines Aufenthaltes in den USA
entwickelte und zur Marktreife brachte. Wobei sich die Qualität
seiner Vorkriegsbauten zu dem was städtebaulich in der
Nachkriegszeit hinzukam, an rationeller Fähigkeit und ideologischer
Effizienz noch mal steigerte.
Siehe auch: Ferdinand
Kramer seine Bauten und Entwürfe, deren Wertschätzung und wie sie
vor dem Abriss auf dem Areal an der Bockenheimer Warte in Frankfurt
gestellt sind
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