Ferdinand Kramer im Museum Angewandte Kunst MAK Frankfurt

Foto: © Kulturexpress
Das Prinzip Kramer. Design für den variablen Gebrauch
bis 7. September 2014

Ferdinand Kramer (1898-1985) gilt als einer der wichtigsten Architekten und Designer der deutschen Gestaltungsmoderne. Mit neuen Vorstellungen vom Gebrauch der Dinge – den Begriff „Mobiliar“ nahm er wörtlich – verlieh er den sich verändernden Lebensverhältnissen im 20. Jahrhundert Ausdruck und Gestalt.

 

 

Die Ausstellung im MAK kann nur etwas wie ein kleiner Vorläufer zu einem viel größeren Projekt sein, das sich mit diesem Architekten und Designer als gestalterisches Phänomen befasst. Viel zu viele Fragen werden aufgeworfen bei der Beschäftigung mit diesem Praktiker der Alltagsgestaltung. Die politischen Dimensionen für die Stadt Frankfurt sind bisher unabsehbar, wenn es darum geht, über den Erhalt seiner Bauten im Stadtbild zu sprechen und zu entscheiden. Manches steht unter Denkmalschutz, anderes ist umstritten, wie die containerartigen Hörsaalbauten in der Gräfstraße oder die Universitätsbibliothek an der Bockenheimer Warte.

 

Wie für ein Warenhaus schuf Kramer flexible Möbel zum Selbst-Zusammenbauen, modulare Möbelsysteme sowie zerlegbare Tische und Schränke. Ganze Generationen wurden durch sein Design mitgeprägt. Das schlichte grau in grau seiner Möbel hat zunächst etwas abstoßendes, was aber im Kontext im Verständnis der Zeit angebracht schien und modern war. Denn in seinen Entwürfen steckt Nachkriegsideologie, wie sie unter anderem die Amerikaner und mit diesen die Besatzungsmächte nach Frankfurt a/M brachten. Das war nicht allein Geschmacksache, sondern verfolgte das Ziel der Umerziehung einer gesamten Gesellschaft. Und wer ist für Umerziehung am besten geeignet? Generationen an Studierenden hausten in diesen Möbeln, belegten Tische und Stühle um Unterlagen auszubreiten und um die graue Gehirnmasse anzuregen. Diese Möbel waren so sehr praktisch, dass sie, so hieß es zumindest immer, sogar im sozialistischen Osten der früheren DDR gefallen hätten. Dies, obwohl Ferdinand Kramer niemals, wie andere seiner Zeitgenossen z.B. Ernst May, den Weg nach Moskau ging. Kramer blieb stets am Westen orientiert. Das zeigt, wie die Besatzungsmächte ausgerichtet waren, indem einerseits der Segen des Wohlstands propagiert wurde, in ihren Wesenszügen aber eine streng funktionale fast puristische Disziplin das Sagen behielt. Beispiel ist der logisch durchdachte Aufbau von Büroeinrichtungen in Modellbauweise mit den Grundformen aus Vierecken, Kreisen und Dreiecken. Ein wenig wie aus der Mengenlehre gewonnen, ein Marshall-Plan in Kleinformat.

 

Es ist die Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen, das Mitdenken des – immer auch sozialen – Umraumes in einem Prozess des Gestaltens, der sich aus dem Geist einer veränderten Sicht auf die Welt speist. Attribute wie Einfachheit, Variabilität, Klarheit und Benutzbarkeit zeichnen seine Arbeiten bis in die Gegenwart aus. Zugleich wurden Lücken geschlossen, wenn auch etwas stocklastig. Bauten und Möbel waren immerhin der Neuanfang nach der Aufräumarbeit aus Trümmern und Baufälligkeit. Die vielfältigen Reformen und das 'Neue Frankfurt' Anfang des 20. Jahrhunderts waren mit das Fortschrittlichste, was im Anschluss an die Charta von Athen (CIAM) zur Stadtentwicklung geschehen konnte.

 

Über 100 Exponate – Lampen, Öfen und Kannen aus den frühen 1920er Jahren, genormten Fenster- und Türbeschlägen sowie Klein- und Typenmöbel aus der Zeit des Neuen Frankfurt, mit Zeichnungen und Werken aus der Zeit von Kramers Emigration in die USA, zahlreichen Beispielen aus dem Inventar der Goethe-Universität Frankfurt und seltenen Objekten aus dem Besitz der Familie stellt die Ausstellung im MAK vor.

Auf dem Foto: Leihgeberin Gerda Breuer und Museumsleiter Matthias Wagner K am 05. Februar 2014 im MAK 

 

Präsentiert werden neben Leihgaben aus dem Universitätsarchiv Frankfurt vor allem jene Sammlung von Designobjekten Ferdinand Kramers, die von Gerda Breuer während ihrer Tätigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal aufgebaut wurde. Ergänzt werden die historischen Stücke durch eine Auswahl an in Reedition nach Original-Entwürfen Kramers gefertigten Möbeln von e15, die zeigen, dass Kramers Arbeiten auch für die heutige Designindustrie aktuell und relevant sind.

 

Ferdinand Kramer Kollektion

 

Zur Ausstellung ist ein 400seitiger dehnbarer Katalog aus dem Ernst Wasmuth Verlag erschienen, herausgegeben von Gerda Breuer mit zahlreichen Beispielen aus dem Mobiliar Kramers mit technischen Erläuterungen aber auch einigen Grundrissen und Fotos seiner Gebäude, wie Wohnhäuser in Frankfurt Westhausen im 'Neuen Frankfurt', woran er als Mitarbeiter Ernst Mays mit Bauprojekten beteiligt war. Bemerkenswert sind die Patente, die Kramer während seines Aufenthaltes in den USA entwickelte und zur Marktreife brachte. Wobei sich die Qualität seiner Vorkriegsbauten zu dem was städtebaulich in der Nachkriegszeit hinzukam, an rationeller Fähigkeit und ideologischer Effizienz noch mal steigerte.

 

Siehe auch:  Ferdinand Kramer seine Bauten und Entwürfe, deren Wertschätzung und wie sie vor dem Abriss auf dem Areal an der Bockenheimer Warte in Frankfurt gestellt sind

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 28. Februar 2014