|
Die „As One“ Tanzperformance begann einige Minuten nach dem angekündigten Termin auf dem Platz vor dem Haus der Offenen Kulturen. Ein Klavier stand vor der Tür zum denkmalgeschützten Hauptgebäude der Goethe-Universität zwischen Gräfstraße und Senckenberganlage an der Zufahrt zum Campusgelände. Eine Gruppe weiß gekleideter Tänzer und Tänzerinnen bewegte sich auf den Platz zu, am Publikum vorbei, schnurstracks an die Stelle von der aus sie beginnen wollten.
14. September war der Abend an dem die Aufführung das letzte Mal in dieser Reihe vor Publikum stattfinden sollte. Eine Gruppe mit Zuschauern hatte sich eingefunden und wartete auf künstlerische Darbietung. Anfänglich waren menschliche Figuren und tänzerische Bewegungen eher gymnastischer Art, so als ob sich die Beteiligten erst in Schwung bringen wollten, um in Fahrt zu sein, um dann tänzerische Schaustücke zu präsentieren.
Es gab Bocksprünge genauso wie Liegestützen und anderes mehr wie aus dem Repertoire einer Gymnastikeinheit. Die Übung drückte eine gewisse Disziplin aus, welche das Konzept der Aufführung bestimmte. Mit ausgestreckten Armen, Kniebeugen und Rundum-Bewegungen kamen sich die einzelnen Tänzer näher und entfernten sich wieder voneinander. Standen in einer Reihe, kehrten sich den Rücken zu und drehten sich wieder zurück auf das Publikum gerichtet. Hinzu kamen mehrere Musikinstrumente, wobei der Klang einer Tuba das meiste Aufsehen neben den anderen Blasinstrumenten erregte. Sie bestimmte den Klang des Abends und nahm damit dem Klavier sogar den Rang ab. Die Tuba hörte sich gleichförmig beruhigend an und sorgte zugleich für Stimmung und Musikalität.
|
|

|
|
|
„As One“
am 14.
September
abends auf
dem Campus
Bockenheim,
Foto (c)
Kulturexpress |
Im Sommer 1925 kamen Züge aus ganz Europa in Frankfurt an, gefüllt mit Tausenden von Arbeiter*innen – Körpern, die trainiert, aufgetreten und sich gemeinsam bewegten. Public Movement beschäftigte sich im Rahmen der 100-Jahr-Feier mit dem Konzept der 1. Internationalen Arbeiter-Olympiade: einer Vision einer Gesellschaft, die nach Gleichheit, postnationaler Gemeinschaft und Frieden strebte. Es handelte sich um einen Aufruf an Männer und Frauen, um eine politische und kulturelle Botschaft zu verkörpern. Wie werden diese Werte im Körper sichtbar? Wie können sie in der heutigen Zeit realisiert werden?
|

|
|
|
|
|
„As One“ fungierte als Hommage und Erkundung, als öffentliche Echtzeit-Übung und zugleich als Einladung zum Gedenken und Zweifeln. Die Darbietung resultierte aus dem Bedürfnis nach Begegnung: um eine flexible Gesellschaft mit akrobatischem Verstand zu trainieren; agil, ausgewogen und bereit für bevorstehende Herausforderungen. Sechs Mitglieder von Public Movement hatten während der Performance die Schnittstellen von Stärke und Verletzlichkeit, Disziplin und Gehorsam, Spiel und Rivalität sowie Ideologie und deren Vermittlung durch den Körper erkundet. „As One. New Action for Frankfurt" wiederum war eine Produktion von Public Movement und Künstler*innenhaus Mousonturm.
Die Tänzergruppe setzte sich in Bewegung und ging in Richtung Campusplatz. Dort waren Holzbänke in Sitzreihen aufgestellt, auf denen das Publikum Platz nehmen sollte. Die Gruppe der Zuschauer wurde aufgefordert der Gruppe in langsamen Schritten zu folgen. Das geschah im Rhythmus, indem von eins bis acht durchgezählt wurde, um nach der Acht wieder mit Eins zu beginnen. Diesem Takt folgte das Publikum der Tanzgruppe nach. Fast am Ziel, stieg eine weißgekleidete Tänzerin auf eine Mauer, die steinerne Umrandung einer Grünanlage. Sie begann von dort oben in englischer Sprache eine Rede zu halten. Es handelte sich aber vielmehr um eine Art Appell, den die junge Frau lautstark an die Zuschauermenge richtete. Nebenher wurden die Musikinstrumente an den Ort auf den Campusplatz gebracht.
|

|
|
|
|
|
Zuschauer nahmen auf den Holzbänken Platz. Das Klavier wurde angerollt und Blasinstrumente mit Tuba postierten sich im Hintergrund, so dass sie in räumlichem Abstand zu den Anderen standen, aber nah genug waren, um akustisch wahrgenommen zu werden. Tänzerische Einlagen behielten zunächst ihren gymnastischen Charakter, wechselten dann zu akrobatischen Tanzeinlagen. Die Gruppe der Tänzer türmte sich zum Beispiel vor dem Publikum zu einem menschlichen Turm auf, ohne jedoch das Risiko eines Missgeschicks oder Unfalls zu sehr auf die Probe zu stellen. Schon bei den Bocksprüngen über den Rücken des Anderen hinweg bestand die Gefahr des Stolperns. Das hätte unglücklich ausgehen können, passierte aber nicht. Die Aufführung lief weiter. Zum Teil tummelten sie sich auf dem Boden, bevor sie wieder aufstanden. Es wurden keine Pirouetten gezogen wie beim Ballett. Der Bewegungsapparat der Tanzgruppe hielt sich an einen festgefügten Plan, so schien es. Die Tanzenden bewegten sich kreisförmig auseinander und bündelten sich gleich wieder zu einem engen Kreis zusammen. Oder sie zogen von einer Seite des Feldes zu anderen Seite auf dem Platz.
 |
 |
| |
|
Nach einer Weile wurde das Publikum in die Handlungen einbezogen. Einzelne, die auf den Holzbänken saßen, waren aufgefordert mitzumachen. Nach kurzer Einführung wussten sie was zu tun ist. Das Zusammenspiel mit dem Publikum gelang kontinuierlich. Die ganz in weiß Gekleideten verschmolzen sozusagen zu einer Tanzgruppe mit den Zuschauern.
Endpunkt der Veranstaltung war ein offenes Feuer, das im hinteren Teil nahe der Brüstungen zum Seminargebäude auf dem Campus aufflammte. Die Abenddämmerung begann zu wirken, langsam brach die Nacht herein. Der Beleuchtungseffekt durch das entfachte Feuer erzeugte ein neuartiges Stimmungsbild mit der die Tanzperformance ihren Ausgang nehmen sollte. Das Publikum ging ebenfalls zum Feuer und versammelte sich dort auf einer Seite. Nach einer Weile wurden Fackeln an langen Lanzen angezündet. Auch dies gehörte zur eingeübten Choreografie des Stückes. Die mit brennenden Fackeln bestückten Tänzer gingen daraufhin zu einer Treppe. Diese führte bis auf die Balkone des Hauses. Dort befanden sich Metallständer, die aufgebaut waren. Nachdem die Fackelträger auf dem Balkon in Position waren, wurden die Metallständer angezündet. Die Flammen entlang dünner Metallverstrebungen entfachten, was damit endete, dass der brennende Schriftzug das Wort GRACE erzeugte. Die gesamte Tanzaufführung dauerte etwa 60 Minuten.
Public Movement Leitung: Dana Yahalomi
Public Movement Mitglieder: Meshi Olinky, Gali Libraider, Avshalom Latucha, Ofir Kunesch, Tal Adler, Or Ashkenazi
Komposition: Yoni Silver
Text: Nana Ariel, Yaara Shehori
Dramaturgie: Tal Yahas
Mitarbeit Entwicklung: Maayan Horesh, Nitzan Ben Shem
Recherche: Nir Shauloff
Kostüm: Gali Libraider
Szenografie sowie Koordination und dramaturgische Mitarbeit Frankfurt: Yair Vardi
Künstlerische Beratung der Konzeption: LIGNA
Studio Manager: Elena Keidosiute
|