Revitalisierung eines Kaufhausstandortes in Berlin Das Projekt „Kalle Neukölln“ revitalisiert das historische Quelle-Kaufhaus in der Berliner Karl-Marx- Straße. Der Großbau mit angeschlossener Hochgarage aus dem Jahr 1970 ist aufgrund seiner Lage an der zentralen Einkaufs- und Verkehrsader Neuköllns eine der Schlüsselimmobilien des Bezirks. Die radikale Neuprogrammierung der Immobilie durch den Berliner Entwickler MREI und das Re-Design der Fassaden durch Max Dudler transformiert den ehemalige Kaufhausstandort in einen Kiez-Kreativkosmos.
Die bestehende Rohbaustruktur wurde nach dem Prinzip „Umdenken statt Abreißen“ in eine zeitgemäße Landschaft für Arbeit, Genuss und Begegnung überführt. Das Projekt ist ein prototypisches Beispiel da- für, wie „graue Energie“ in der Gebäudesubstanz erhalten bleiben kann, es ist gleichzeitig eine zukunfts- orientierte Antwort auf den Strukturwandel im Einzelhandel.

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Auf 40.000 m² Gesamtfläche entsteht eine Umgebung voller Vielfalt, die Kollaboration, Kultur und Genuss auf al- len Ebenen in Verbindung setzt. Es entstehen 4.000 m² Dachgarten, 26.000 m² Büro, 4.000 m² Retailfläche und als Herzstück eine 6.000 m² große Halle für Gastronomie, Events und einem Indoor-Foodmarket. Die Transfor- mation der zentralen Kaufhausimmobilie zum „Kalle Neukölln“ sendet ein starkes Signal für die Neuerfindung der Karl-Marx-Straße als lebendige Magistrale im Herzen Neuköllns. Von diesem neuen Konzept profitieren nicht nur die Mieter, sondern auch Besucher, Nachbarschaft und letztlich der gesamte Bezirk. Die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und das urbane Treiben, drinnen wie draußen – vom Untergeschoss bis auf das Dach – sollen sich gegenseitig inspirieren und stärken. So macht das Projekt Kalle Neukölln Hoffnung, dass Stadtplaner auch den Wert anderer vermeintlich toter Orte erkennen und ihr Genius Loci für eine erfolgreiche Neuinterpretation genutzt werden kann.
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Die Fassadengestaltung gliedert den großen Baukomplex in zwei gleichwertige, jedoch kontrastierende Teile. Der südliche Baukörper zur Karl-Marx-Straße erhält eine helle, steinerne Loggia aus Kunststein während der nördliche Baukörper zur Ganghofer Straße, das ehemalige Parkhaus, mit einer bronzefarbene Metallfassade versehen wird.
An der Stelle der einstigen, gewendelten Parkhausrampe zwischen beiden Gebäudeteilen entsteht der „Winter- garten“, ein Eventbereich als verbindendes Element.
Die Neugestaltung strebt an, die Baumassen stärker im Kontext der umgebenden Baudenkmäler im Stadtbild zu verankern und zugleich die inhaltliche Transformation des Gebäudes attraktiv nach außen sichtbar zu machen. Der Baukörper basiert auf dem Baubestand und wurde nur an kritischen Stellen ergänzt oder zurückgeschnitten, um einen sinnvollen Anschluss an die urbane Struktur zu schaffen.
Das alte Quelle-Kaufhaus wurde im Jahr 1970 von der Architektengemeinschaft Hendel-Haseloff-Hotzel als brutalistische Megastruktur konzipiert. Der utopische Geist, den diese radikal moderne, etwas antistädtische Architektur beseelt hatte, ist im Zuge der Umgestaltung des Komplexes zu einer SinnLeffers Filiale in den 1990er Jahren restlos verloren gegangen. Besonders das Parkhaus wirkte zuletzt fast grotesk Die alte Betonkonstruktion war im Geist der Zeit mit enormen Spannweiten bis 24 m konzipiert worden und weist monumental anmutende Betonunterzüge und Stützen auf. Diese Konstruktion wird weiter genutzt und bleibt sichtbar, um ihr ästhetisches Potential zu erschließen.
Ihre Wiederverwendung hat sogar eine weit bessere CO2-Bilanz als ein Neubau aus Holz und setzt damit ein Zeichen für nachhaltiges Bauen.
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Kaufhausumbau |
Der Strukturwandel im Einzelhandel erfasst unzählige Innenstädte. Er erfordert ein Neudenken der öffentlichen Räume und wird die Innenstädte verändern und neu konfigurieren. Bislang fehlt es häufig noch an zukunftsorientierten Ansätzen für den Umgang mit dem überholten Raumtypus City-Kaufhaus, der sich gerade in besonders wichtigen, für die städtebauliche Entwicklung neuralgischen Lagen findet. Bei der Entwicklung dieser Orte ist ein enger Aus- tausch mit dem sozialen und politischen Umfeld essenziell, da alle Beteiligten hier sensibel auf Veränderungen re- agieren. Ein so komplexes Projekt kann darum nur durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Planungspartner mit sich ergänzenden Kompetenzen gelingen. Das Berliner Büro Realace formulierte erste Ideen, die in Kooperation mit lokaler Politik und Verwaltung weiterentwickelt wurden. Nutzungsstruktur, Mobilitätskonzept sowie soziale und kulturelle Aspekte wurden dabei gleichermaßen berücksichtigt. Max Dudler entwickelte und plante das städtebauliche und architektonische Erscheinungsbild. Das Architekturbüro Aukett + Heese war für die Realisierung im Inneren verantwortlich.
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Grundriss |
Das ehemalige Kauf- und Parkhaus ist prädestiniert für außergewöhnliche Anlässe. MREI setzt dabei auf enge Zusammenarbeit mit den lokalen Steakholdern und hat enge Beziehungen mit im Bezirk beheimateten Gruppen auf- gebaut und Zwischennutzungen - u.a. im Rahmen des Kunstfestivals „48h Neukölln“- ermöglicht. Die besondere Ausstrahlung des Hauses spiegelt sich in der neuen Mieterstruktur. So hat sich hier die CODE University of Applied Sciences angesiedelt, ebenso wie SoundCloud, die weltweit führende Plattform für Musik-Streaming, Rough Trade, ein legendärer Music Store aus London, sowie der Startup-Accelerator Delta oder Kiez Büros, die flexible Büroflächen für Einzelkämpfer und kleine Unternehmen anbieten. Das Vorhaben wurde mit dem 3. Platz des Polis Award 2023 ausgezeichnet
Kalle Neukölln (5769fe4b) › polis Award
Name des Bauwerks Kalle Neukölln
Standort Karl-Marx-Straße 101, 12043 Berlin
Bauherr K101 GmbH & Co. KG
Bauvolumen NF: 34.000 m²
BGF: 40.000 m²
Bauzeit 05/19–12/24
Verfahren: Direktauftrag
Architekt (Fassade) Max Dudler, Berlin
Architekt (Innen) AUKETT + HEESE GmbH Berlin
Projektleitung Alexander Bonte Hwa-Jong Park
Mitarbeit Georg Tanner, Hanna Wewer
Projektsteuerung RAUTENBACH Gesellschaft von Architekten mbH
Tragwerksplanung Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer GmbH
Vermessungsbüro Ingenieursozietät Harald Zech, Manfred Ruth, Raik Blasius
TGA:
Janowski Ingenieure GmbH
Bauphysik/Akustik: Müller-BBM Building Solutions GmbH
Brandschutzplanung imKONTEXT.berlin GmbH
Baustelleneinrichtung FGS Berlin Forschungs- und Planungsgruppe Stadt und Verkehr, Berlin
Fotos Stefan Müller
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