DAM Architectural Book Award 2024

Was wäre wenn / Ungebaute Architektur in der Schweiz (2023) Hg. Andreas Kofler u. Andreas Ruby

Ist Architektur erst real, wenn sie gebaut wird? Wie faszinierend es wäre, nie ausgeführte Architekturent-würfe zu sehen: Das zeigt «Was wäre wenn/What if» (Christoph Merian Verlag) am Beispiel von 23 nicht realisierten Bauprojekten in der Schweiz. Dafür haben die Herausgeber Andreas Kofler und Andreas Ruby im Dialog mit über 20 Architekturinstitutionen aus allen Landesteilen eine repräsentative Auswahl aus einem schier unendlichen Projektfundus getroffen. Reich an Text- und Bildmaterial spielt «Was wäre wenn/What if» mit der Idee einer Schweizer Baukulturlandschaft der letzten hundert Jahre, die es nie gab und die doch, dank der hohen demokratischen Mitbestimmung auch bei Architektur und Städtebau, im kollektiven Unterbewusstsein verankert ist. Die sorgfältig gestaltete Publikation erscheint zweisprachig Deutsch/Englisch.
 

 

   

Selbst Entwürfe von Le Corbusier, Mario Botta oder Herzog & de Meuron wurden abgelehnt: Eine Karte mit Bauprojekten, die analog zur Kapitelstruktur des Buches Verloren, Verneint, Versackt oder Verändert sind, macht neugierig. Ihre Zahl übersteigt die umgesetzten Bauten um ein Vielfaches. Was mag hier an genialen Ideen ruhen? Von der Erweiterung des Bundeshauses bis zum Staudamm: Das Buch zeigt über 20 unrealisierte Projekte, die heute noch von sich reden machen. 


Es stellt sich die Frage, ob die abgelehnten, spürbar mit Herzblut und Mut entworfenen Projekte die Essenz von Architektur womöglich mehr verkörpern als die real existierenden Gebäude. Kamen die Entwürfe vielleicht zu kühn, zu utopisch daher? Sorgt die direkte Demokratie in der Schweiz nicht nur für eine einzigartig mitbestimmte Architektur, sondern auch für weniger Innovationskraft? Oder anders gefragt: Ist das hohe Mitbestimmungsrecht eine gute Bauherrin? 


Architektur berührt das Leben eines jeden Einzelnen. Je intensiver der öffentliche Diskurs dazu, desto stärker profitieren alle davon. In diesem Sinn setzen die Ideen und Erkenntnisse aus dem immensen Projektfundus wertvolle Impulse zum Verhältnis von Gedachtem und Gebautem für ein architekturinteressiertes Publikum in der Schweiz und darüber hinaus. 


Ausstellung im S AM Schweizerisches Architekturmuseum: 24. November 2023 bis 14. April 2024

 

DAM Jurybegründung: Kompakt und überraschend gewichtig liegt die Sammelmappe aus schlichtem Graukarton in der Hand. Der Schnitt verrät eine Sammlung von Papieren unterschiedlicher Farbe und unterschiedlichen Formats. Kräftiges Rosa und Neongelb schimmern hindurch und verheißen ein spannungsvolles Innenleben, das die klassische Mappe mit japanischem Ringverschluss zusammenhält.

 

 

Auslage am Bücherstand DAM Architectural Book Award 2024 auf der Frankfurter Buchmesse, Foto (c) Kulturexpress

 

 

Die Ausstellungspublikation ‚Was wäre wenn/ What if‘ des S AM (Schweizerisches Architekturmuseum) hält, was der erste Eindruck verspricht. Wenn der Faden abgewickelt ist und sich die Deckel öffnen, entpuppt sich die Sammelmappe als inspirierende Publikation aus Fachartikeln und Archivmaterial zu ungebauter Architektur in der Schweiz. Unter den vier Kategorien Verloren, Verneint, Versackt, Verändert sind über zwanzig unrealisierte Architekturprojekte der vergangenen 100 Jahre vorgestellt, die regionale Architekturdebatten nachhaltig geprägt haben. Die Publikation stellt dabei die zentrale Frage ‚Wer oder was entscheidet darüber, was gebaut wird und was nicht?‘ und betrachtet das Verhältnis zwischen Gedachtem und Gebautem.


Eine Materialsammlung aus Zeitungsartikeln, Entwürfen und Fotos lässt neben den unrealisierten Entwürfen sehr spannend auch die gesellschaftlichen Debatten und damit Entscheidungsmuster zum jeweiligen Bauvorhaben lebendig werden. Auf neongelbem Papier in kleinerem Format setzen sich die Fachartikel von der archivarischen Materialsammlung ab. Noch kürzere Papiere in kräftigem Rosa markieren die einzelnen Projekte und sorgen für gute Übersichtlichkeit. Das dünne 80g/m² Papier, die gewählten Farben und die unaufgeregte Schriftenauswahl (Times und Neue Haas Grotesk) erinnern an private Materialsammlungen und laden dazu ein zu stöbern und sich vom Material abholen zu lassen. Selbst das ungewöhnliche Format der Publikation im Postquartformat (22 x 28cm) verweist verschmitzt auf eine Zeit vor Einführung des DIN-Formats in der Schweiz.


Diese verspielte und zugleich sachliche Gestaltung des Büros Claudiabasel weckt Entdeckungslust und Forscherdrang nach Unentdecktem, Vergessenem, Unrealisiertem.


Die Publikation hinterfragt damit auf äußerst spannende und unterhaltsame Art und Weise die gängige Vorstellung von Baukultur und schreibt eine Hommage an den ‚leidenschaftlichen Idealismus‘ im Bauen, der sich im Stöbern in dieser inspirierenden Publikation überträgt.   Dr. Dorothee Ader


Was wäre wenn / What if
Ungebaute Architektur in der Schweiz / Unbuilt Architecture in Switzerland

(Hg.) S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Andreas Kofler und Andreas Ruby

© 2023 Christoph Merian Verlag, Basel

Gestaltung: Jiri Oplatek, claudiabasel \ Basel
358 Seiten, 275 meist farbige Abbildungen

Boschiert, 22 x 28 cm

Sprache: Deutsch und Englisch
ISBN 978-3-85616-997-8

 

Siehe auch: Was wäre wenn – Ungebaute Architektur in der Schweiz. Ausstellung SAM Basel vom 25. November 2023 bis 05. Mai 2024 verlängert

 

 

   

 

 

   

Kulturexpress ISSN 1862-1996

 vom 08. Februar 2025