Der unter anderem für das
Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein
Verfahren, in dem ein Wohnungseigentümer von der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die
(erstmalige) Errichtung der
Wohnungseigentumsanlage verlangt.
Verhandlungstermin am 20. September 2024 um 9.00
Uhr in Sachen V ZR 243/23 (Pflicht der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur
Errichtung der Anlage nach Insolvenz des
Bauträgers?). Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das
Grundstück war mit einer Abbruchimmobilie
bebaut. Diese sollte durch eine – inzwischen
insolvente – Generalbauunternehmerin abgerissen
und ein neues Gebäude errichtet werden. Das
Bauvorhaben kam bereits während der
Abrissarbeiten zum Stillstand. Die
Beschlussanträge der Klägerin, die Verwalterin
zu beauftragen, Angebote für die restlichen
Abrissarbeiten, die Abdichtung der Nachbargiebel
und die Erstellung der Ausführungspläne für das
Objekt einzuholen, die Aufträge zu vergeben und
die Arbeiten durchführen zu lassen sowie eine
Sonderumlage zu erheben, wurden in einer
Eigentümerversammlung vom 16. September 2021
abgelehnt.
Bisheriger Prozessverlauf:
Mit der Klage verlangt die Klägerin die
gerichtliche Ersetzung der beantragten
Beschlüsse. Das Amtsgericht hat die Klage
abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat
das Landgericht ihr teilweise stattgegeben.
Danach gilt als beschlossen, dass ein
Sachverständigengutachten zu den
voraussichtlichen Kosten für den Abriss des
Bestandsgebäudes und die Errichtung des
Gemeinschaftseigentums eingeholt, die
Verwalterin mit der Einholung von Angeboten für
das Gutachten beauftragt und die Beklagte zur
Beschlussfassung über die Vergabe des
Gutachtenauftrags und dessen Finanzierung
verpflichtet wird. Mit der von dem Landgericht
zugelassenen Revision möchte die Beklagte die
Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils
erreichen.
Nach Auffassung des Landgerichts hat ein
Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch
gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
auf Ersterrichtung des Gemeinschaftseigentums.
Die Klägerin könne deshalb auf der Grundlage von
§ 18 Abs. 2 WEG die Ersetzung entsprechender
Beschlüsse verlangen. Weil eine Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer nach dem Gesetz unauflöslich
sei, entspreche es ordnungsmäßiger Verwaltung,
zumindest das Gemeinschaftseigentum zu
errichten; für die Errichtung der
Sondereigentumseinheiten seien die
Wohnungseigentümer anschließend selbst
verantwortlich. Die Errichtungspflicht entfalle
nur dann, wenn die Errichtung der Anlage durch
die Wohnungseigentümer unzumutbar sei. Für eine
sachgerechte Entscheidung über die Frage der
Unzumutbarkeit fehle bislang aber die
Tatsachengrundlage. Zunächst müssten deshalb die
voraussichtlichen Kosten für den Abriss und die
Neuerrichtung ermittelt werden. Um das
Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer
zu wahren, könne das Gericht vorerst nur einen
Beschluss über die Einholung eines Gutachtens zu
den voraussichtlichen Kosten ersetzen. Auf
dieser Grundlage könnten die Wohnungseigentümer
dann entscheiden, ob die Errichtung der Anlage
ausnahmsweise unzumutbar erscheine.
Die beklagte Gemeinschaft meint dagegen, dass
das Landgericht die Besonderheiten des
sogenannten "stecken gebliebenen" Baus nicht
hinreichend berücksichtige. In entsprechender
Anwendung von § 22 WEG könne die erstmalige
Herstellung des Gemeinschaftseigentums nur
verlangt werden, wenn es bereits zu mehr als der
Hälfte seines Werts errichtet sei. Jedenfalls
aber sei der Ersetzungsbeschluss nicht
hinreichend bestimmt.
Vorinstanzen:
AG Koblenz - Urteil vom 18. Mai 2022 - 133 C
1875/21 WEG
LG Koblenz - Urteil vom 20. November 2023 - 2
S 29/22 WEG
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 18 WEG:
"(1) Die Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums obliegt der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer.
(2) Jeder Wohnungseigentümer kann von der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
1. eine Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums sowie
2. … verlangen, die dem Interesse der
Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem
Ermessen (ordnungsmäßige Verwaltung […]) und,
soweit solche bestehen, den gesetzlichen
Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen
entsprechen.
§ 22 WEG:
"Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte
seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht
durch eine Versicherung oder in anderer Weise
gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht
beschlossen oder verlangt werden."
§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG
"Unterbleibt eine notwendige
Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage
eines Wohnungseigentümers den Beschluss fassen
(Beschlussersetzungsklage)".
Meldung: Pressestelle des
Bundesgerichtshofs, Karlsruhe
Verhandlungstermin am 20. September 2024 um 9.00
Uhr in Sachen V ZR 243/23 (Pflicht der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur
Errichtung der Anlage nach Insolvenz des
Bauträgers?) |