Buchrezension

Das Weltgebäude muß errichtet werden. Man will ja irgendwo wohnen (1.Auflage, 2024) von Angela Krauß bei Suhrkamp

 

Erzählung oder Roman, das ist erstmal unerheblich, wird auf dem Bucheinband nicht gesagt. Die Frage ist, zu was soll ein Weltgebäude errichtet werden und wo steht es? Ein Indiz sind Torhäuser. Der lyrische Text versucht darauf einzugehen, manchmal zurückhaltend, nicht gleich auf den Punkt kommend, verliert sich in Parenthesen, die im Fluss sind und dazu anregen am Text dran zu bleiben, um weiter zu lesen. Das Ergebnis sind viele Ansichten, die wie in einem Boot sitzend an einem vorüberziehen. Das ist das erfrischende an der Erzählung. Der Autorin ist es gelungen, Schritt zu halten, darin liegt eine ihrer Fähigkeiten. Keine halbe Sachen machen, das will sie nicht, sie bleibt ihrem Stil treu. Ein Leseerlebnis. Manchmal durch fabulierende Sprache, wie etwa die goldene Stadt die erwähnt wird. Wer kennt schon eine goldene Stadt? Das wäre doch purer Luxus oder Lyrik. Die sinnliche Komponente ihrer lyrischen Sprache erinnert in manchen Dingen an Clarice Lispector, obwohl Angela Krauß disziplinierter wirkt nicht so leidend auf der Suche nach dem Verlorensein. In Anflügen schreibt sie immer wieder über die Familie, über den Bruder, die Mutter oder den Vater, letzterer stammt aus dem erzgebirgischen, wie es heißt. Der jüngere Bruder schreibt ihr nicht oder immer seltener. Ist das ein Grund, um sich zu beklagen? Immer wieder geht es auch um das Briefe schreiben und um das Briefgeheimnis, das gewahrt bleiben sollte.

Beschrieben sind Räume eines Wohnhauses wie aus den Kapitelüberschriften hervorgeht. Ein Buch, das sich gewissermaßen wie ein Haus aufbaut. Das erinnert an das Mammutwerk eines Marcel Proust oder an Notre Dame aus Victor Hugos Romanwelten. Wohl ein gewisses Haus ist gemeint, doch gerade das Gesuchte scheint für die Leser vorläufig nicht auffindbar. Ein Indiz zur Erläuterung des 'Torhauses der Zukunft' bieten die Berliner Torhäuser, von denen eine ganze Anzahl vorhanden sind zum Teil mit langen Durchgängen. Es gibt viel zu erzählen, vor allem sind es Zwischentöne, die nur im Vorbeifliegen erwähnt werden und doch tragen sie ausgesprochen intensiv zum Inhalt bei. Sind wohltuende Nahrung auf der Suche nach dem Inhalt passend zu den Überschriften und natürlich auf der Suche nach dem Weltgebäude. Das hat ganz gewiss seine Berechtigung. Denn um den Frieden zu erwirken, wird das Weltgebäude gebraucht, an dem alle festhalten sollen. Ein stabiles und intaktes Weltgebäude ist eine der Bedingungen, um die Basis für Frieden zu schaffen. Das kann ideeller Natur aber genauso ein tatsächliches Gebäude sein, ein Mekka, eine Kirche womöglich, ein Geburtshaus oder das Haus in dem man gerade wohnt. Zuhören erfordert Disziplin. Diese innere nicht unwesentliche Sache gestehe ich der Autorin zu, das ist eine ihrer Fähigkeiten beim Schreiben. Dem Stil treu bleiben im Text. Das nächste Buch kann schon wieder ganz anders geartet sein, ist nicht entscheidend. Häuser können letztlich beliebig und vom Abriss bedroht sein, wie Menschen die geopfert werden bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Hier gelingt es der Autorin den Sinn gebenden Faden zu halten, unbeschwert und positiv zu bleiben, um sich einerseits sicher wie in einem Vogelschwarm fortzubewegen, ohne an lästige Grenzen stoßen zu müssen die nicht überbrückbar wären. Trotzdem behält sie ihre schriftstellerische Autonomie, die Voraussetzung dafür ist, um beim Leser glaubwürdig zu sein. Wenn die eigene Daseinsverwandlung auch dazu beiträgt, die große Endzeit auszurufen wie bei Angela Krauß, so lässt sich im Nachklang sagen, mit den 2020iger Jahren haben wir den wiederkehrenden Fin de Siècle Rhythmus in der Literatur längst überschritten. So schreibt sie das Leben einer Tänzerin fort.

Leseprobe...

Das Weltgebäude muß errichtet werden.

Man will ja irgendwo wohnen
von Angela Krauß

Suhrkamp Verlag, Berlin
1. Auflage, 2024
Fester Einband mit Schutzumschlag, 111 Seiten
Format: ca. 12,5 × 20,8 × 1,8 cm
ISBN: 978-3-518-43118-4

eBook (EPUB)
ISBN: 978-3-518-77845-6

 

 

   

 

 

   

Kulturexpress ISSN 1862-1996

 vom 16. März 2024