Gleich mehrfach wurde
die Sanierung und Aufstockung eines
denkmalgeschützten Kontorhauses in
Leipzig ausgezeichnet – als
positives Beispiel für
innerstädtische Nachverdichtung und
für die geforderte Nutzungsmischung
von Wohnen und Arbeiten. Ebenso
einfühlsam wie souverän ergänzten
die Architekten den massiven Bestand
um massives Volumen. Der Ziegel
bildet dabei die perfekte Brücke
zwischen charakterstarkem
Industriedenkmal und formal
eigenständigem Aufbau. Das Ergebnis:
eine städtebaulich markante Kubatur,
die die Aufstockung sichtbar lässt
und zugleich wesentliche Elemente
aus dem Bestand weiterführt.
Für die Aufstockung einer ehemaligen
Celluloidfabrik in Leipzig
entschieden sich die Architekten von
Knoche Architekten BDA für die
Schaffung einer stilistisch und
strukturell kompakten Struktur auf
dem soliden Basisgebäude – ein
eingetragenes Industriedenkmal aus
dem Jahre 1896. Als Beispiel für
Weiterbauen im Bestand leistet das
Projekt einen gelungenen Beitrag zur
Baukultur urbanen Wohnens. Der dabei
geschaffene Wohnraum ist mit 315
Quadratmetern zwar flächenmäßig
überschaubar, doch hat das sensibel
umgesetzte Projekt deshalb nicht
weniger Vorbildcharakter:
Nachverdichtung und Vermeidung des
Donut-Effekts in einer wachsenden
Stadt. Zusammen mit dem sanierten
Bestandsbau sind heute auf insgesamt
1.250 Quadratmetern Wohnen und
Co-Working-Space harmonisch vereint.
Kein gläserner Parasit
Bei der Aufstockung gingen die
Planer von Knoche Architekten
buchstäblich massiv vor: „Maßgabe
war die Verdichtung der umgebenden
Stadtstruktur, die aus
mehrgeschossigen, gründerzeitlichen
Wohn- und Gewerbebauten besteht. In
dieser Struktur hatte das bestehende
Kontorhaus aufgrund seiner geringen
Höhe nur eine untergeordnete
Präsenz, obwohl es gut sichtbar an
einer markanten Kreuzung steht“,
führt Prof. Knoche aus. „Wir wollten
das Volumen daher stärken und die
Aufstockung massiv ausführen.
Gleichzeitig sollte dabei die
Gebäudekontur versatzfrei übernommen
werden. Also Weiterbauen mit Respekt
vor der Substanz, das Gegenteil der
häufig zurückgesetzten, gläsernen
Parasiten.“
Das neue Dachgeschoss greift hierfür
wesentliche Merkmale des bestehenden
Ziegelbaus auf, allen voran das
Material selbst: Der Aufbau aus
tragenden, hochwärmedämmenden
Poroton-Ziegeln S9-MiWo
in 36,5 cm Wandstärke und
Ziegelmontagedecken von Wienerberger
kann auf ein Wärmedämmverbundsystem
verzichten. Dauerhaftigkeit und
Nachhaltigkeit des Altbaus werden so
bautechnologisch weitergeführt.
Stahlträger leiten die Lasten in die
tragenden Außen- und Innenwände ein.
„Tonbaustoffe wie die eingebaute
Ziegeldecke und die Außenwände mit
Wärmedämm-Mauerwerk waren hier die
beste Wahl, weil sie leicht sind und
sich auch im Bestand einfach
verarbeiten lassen“, sagt Prof.
Knoche. „Außerdem können
Tonbaustoffe Wärme und Feuchtigkeit
speichern und wieder abgeben. Damit
besitzen sie eine für Wohn- und
Aufenthaltsbereiche optimale
bauphysikalische Qualität.“
Anbindung und Eigenständigkeit
zugleich
Vor allem durch Farbgebung und
moderne Geradlinigkeit hebt sich der
Aufbau deutlich vom Bestand ab. Die
bewusst unregelmäßige Abfolge und
Dimensionierung der Fenster, die
zugleich die vertikalen Kanten der
Bestandsfenster aufnehmen, betonen
sowohl Anbindung wie
Eigenständigkeit des neuen
Geschosses. Auf Vorsprünge oder
Balkone wurde analog zum Bestand
verzichtet. Die kleine Wohnung
erhielt stattdessen eine
eingeschnittene Loggia, die große
Wohnung einen innenliegenden Patio.
Nur der hofseitige Vorbau des
Bestandes wird oben als Austritt vor
die Fassade genutzt. Hier verläuft
die Kontur der Aufstockung
geradlinig durch.
„Wichtig war uns, die
architektonische Balance zu finden
zwischen formaler Zurückhaltung und
einer dennoch eigenständigen
Gestaltung“, erklärt Prof. Christian
Knoche, Knoche Architekten BDA. „Wir
haben daher beispielsweise die
Fassadengliederung sehr genau
studiert und die neuen Fenster nach
der bestehenden Maßordnung gesetzt.
Auf den regelmäßig strukturierten
Straßenseiten wurden trotzdem
einzelne Fenster weggelassen und
andere zu Panoramafenstern
zusammengefasst. So wird auch die
neue Nutzung Wohnen ablesbar, ohne
das Gebäude zu dominieren.“
Im Bereich des Dachrandes wird die
horizontale Gliederung des Bestandes
aufgegriffen, während die Außenwände
mit ihrer handwerklich ausgeführten,
horizontal reliefierten Putzstruktur
die Rauheit des Ziegelmauerwerks neu
formulieren. Ausgeführt wurde die
Putzfläche als Kammputz mit 15 mm
tiefen Fugen, wie Prof. Knoche
erklärt: „Dabei verlaufen die Fugen
wie die Lagerfugen des Mauerwerks
absolut und exakt horizontal. Ihre
Ausführung zeigt den
Herstellungsprozess: Der Putz wurde
wie aufgetragen belassen,
geringfügige Fehlstellen also im
Nachgang nicht korrigiert. Das führt
zu einer sehr handwerklichen
Anmutung, die mit dem
Bestandsmauerwerk sehr schön
harmoniert.“ Die zurückhaltende
Formensprache und der graue Putzton
mit Horizontal-Reliefierung fügen
sich dadurch in die Bestandskulisse
ein und belegen gleichzeitig die
Authentizität des Neuen.
Auszeichnungen
Die Aufstockung des Kontorhauses
wurde bereits mehrfach
ausgezeichnet, unter anderem mit dem
Architekturpreis der Stadt Leipzig
(2017). Darüber hinaus erhielt
Knoche Architekten 2019 vom Bund
Deutscher Architekten (BDA) in
Sachsen die Anerkennung für „die
erfolgreiche Renovierung und
Nachverdichtung eines
Industriedenkmals und
außergewöhnliche architektonische
Virtuosität“.
Meldung:
Wienerberger GmbH,
Hannover