Außergewöhnlicher,
interdisziplinärer Sachcomic mit internationalen Beteiligten.
Ernährung ist die Grundlage allen Lebens, aber für den Menschen ist sie viel mehr als nur ein zu stillendes Grundbedürfnis. Essen ist eine Lebenseinstellung und Mittelpunkt des sozialen Austausches im Privaten wie auch im Arbeitsleben.
Einer gesunden Ernährung wird eine hohe Bedeutung beigemessen.
Die Medien haben Essen zum Lifestylethema gemacht. Ganz gleich,
ob und welche Vorlieben jeder einzelne dabei pflegt, Ernährung
ist folgenschwer für das Ökosystem der Erde. Wie der Mensch in
den Metabolismus unseres Planeten eingreift, mit welchen
Auswirkungen heute und morgen konfrontiert damit umgegangen
wird, wo im Sinne einer nachhaltigen und menschenwürdigen
Zukunft Stellschrauben gedreht werden können, das steht im
Mittelpunkt des Wissenscomics und Springer-Sachbuches "Die
Anthropozän-Küche".
„Nur noch ein knappes Viertel der nicht mit Eis bedeckten
Erdoberfläche entspricht einer unveränderten Natur“, so der
Geologe und Mitautor Reinhold Leinfelder gleich zu Anfang des
Buches. „Gleichzeitig produzieren wir in einem Jahr so viel
Plastik, wie es der Gesamtmasse aller heute lebenden Menschen
entspricht. Zusammen mit unseren Nutztieren und -pflanzen
dominieren wir die Biosphäre.“ Eindrücklich stellen Reinhold
Leinfelder, Alexandra Hamann, Jens Kirstein und Marc Schleunitz
den Zusammenhang von Ernährungsgewohnheiten,
Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung und Klimawandel dar - von
der Entdeckung des Feuers bis hin zu industriell verarbeiteten
Lebensmitteln.
Am Beispiel von zehn Protagonisten, die auf fünf Kontinenten
leben und dem Leser ihre Lieblingsrezepte verraten, werden
globale Muster sichtbar gemacht. Die Einzelgeschichten gaben den
Anstoß für weiterreichende wissenschaftliche Recherchen. Dabei
dient Phosphor, beziehungsweise Phosphat, als durchgängiges
Leitmotiv. Das Element ist nicht nur essenziell für alles Leben
auf der Erde, Phosphat oder seine Verbindungen sind auch ein
Hauptbestandteil von Düngemitteln und haben die weltweiten
Agrarerträge extrem steigen lassen. Dass diese Ressource endlich
ist, ist vielen allerdings nicht bewusst.
Die Geschichten führen den Leser nach Uganda, Marokko,
Brasilien, China, Deutschland, Indien, Japan, Mikronesien,
Norwegen und die USA. Charakteristisch für diesen Comic ist die
für jede Geschichte wechselnde Bildsprache. Denn die
zeichnerische Umsetzung wurde in die Hände von zwölf
internationalen Künstlerinnen und Künstlern¹ aus den
entsprechenden Ländern gelegt. Somit entsteht neben der
kulinarischen und thematischen Vielfalt eine stilistische, die
der Komplexität des Buches seine Leichtigkeit verleiht.
In einem letzten, gemeinschaftlich entwickelten Kapitel wirft
das Autoren- und Zeichnerteam schließlich einen Blick in die
Zukunft – oder aus der Zukunft in die Gegenwart: Es ist das Jahr
2050 und die zehn Protagonisten schreiben Postkarten nach Hause
über ihre Reise in ein für sie fremdes Land. Die so entstandenen
subjektiven Schnappschüsse möglicher Entwicklungen der kommenden
Jahrzehnte setzen in diesem vielschichtigen Buch einen
originellen Schlusspunkt.
Die zwölf Kapitel stecken voller Sachinformationen. Anschaulich
und leicht verständlich thematisieren die Autoren unter anderem
Fragen zu Gentechnik, Lifestylefood oder Insekten als
alternative Proteinquelle. Sie gehen auf Mao und die Grüne
Revolution ein und informieren über Massenproduktion,
Suffizienzwirtschaft und Zuckersucht. Sie berücksichtigen dabei
die Charakteristika verschiedener Gesellschaften und erklären
die weitreichenden Auswirkungen auf unseren Planeten. Das „Anthropozän“,
also die ‚menschengemachte neue Zeit‘, ist angebrochen, und der
Mensch muss Lösungen für eine lebenswerte Zukunft finden. Dieser
Weg könnte auch in der Küche beginnen.
Die Anthropozän-Küche
Matooke, Bienenstich und eine Prise Phosphor - in zehn Speisen
um die Welt
(Hrsg.) Reinhold Leinfelder, Alexandra Hamann, Jens Kirstein,
Marc Schleunitz
Springer Verlag
1. Auflage 2016,
broschiert, 247 Seiten
ISBN 978-3-662-49871-2