Viele
der Bonatz-Bauten waren reine Industriebauten, kolossal,
weil weniger die Außenwirkung bestimmend war als vielmehr
deren Funktionalität bestimmend wurde. Es sind die frühen
Jahre, erste Technologien entstanden, die bis zur
industriellen Reife und damit in die industrielle Produktion
gingen. Ein Ausdruck dieser Monumentalität findet sich am
Stuttgarter Hauptbahnhof. Der überdimensionierte Bau ist für
die Verhältnisse der Stadt fast zu groß geraten. Wobei die
Frontfassade gar nicht das größte Übel ist, vielmehr
bereiten die langen Seitenflügel Argwohn, indem diese
sich wie unendliche Kanzleien aus Kafkas Roman bis an den
Stadtrand entlang ziehen.
Wenn der Abriss des Bahnhofs jetzt
beschlossene Sache ist, so besteht immer noch das
Gewohnheitsrecht des Bürgers auf den Bahnhof als einer
Einrichtung für das öffentliche Wohl. Es kann niemandem
zugemutet werden, daß ein derart wichtiger Bestandteil der
eigenen Umgebung, in dieser Größe und in einer Großstadt wie
Stuttgart von heute auf morgen aus der Landschaft
verschwinden soll. Wo bleibt hier die Lebensqualität? Und wo
kämen wir hin, wenn ein Politiker einfach über den Abriss
unserer Hauptbahnhöfe bestimmen dürfte?
Dafür bietet das Konzept nicht genug
neues. Ein Neubau kann deshalb nur als Ergänzung zum
Bestehenden verstanden werden. Der Totalabriss ist keine
Lösung. Gegen die Erneuerung der Stadt wie dem Stuttgarter
Hauptbahnhof gibt es keine Einwände. Das Land ist reich, wie
die gesamte Region zu den wohlhabenden im Bundesgebiet
zählt. Wer so viel Geld hat, kann sich was leisten.
Stellt sich die Frage nach der
unterirdischen Bebauung. Wer unterirdisch denkt, neigt immer
ein Stück zum kryptischen. Das Geheimnisvolle soll geweckt
werden, zu welchem Zweck wird nicht gesagt. Wofür die
Stuttgarter einen unterirdischen Bahnhof brauchen, wird
nicht erwähnt außer aus verkehrspolitischen Gründen. Im
Gegenteil, die Kosten zu dem was sich Deutsche Bahn und das
Land Baden-Württemberg ausgedacht haben, überschreiten die
Vorstellungsgrenzen des Möglichen. Vor allem das Fällen
alter Bäume schmerzt. Andererseits ermöglichen es die neuen
Technologien und der Fortschrittsglaube durchaus den Bau
eines unterirdischen Bahnhof zu bewältigen. Die
Herausforderung und der Wille der Beteiligten wird über die
Stuttgarter Zukunft entscheiden.
Im Jahre 1927
entstand bei einem internationalen Architekturwettbewerb die
Weißenhof-Siedlung an den Hängen der Umgebung. Stuttgart ist
umzingelt von hügeligen Bergen, die größtenteils bebaut
sind, aber eine unkontrollierte Ausdehnung der Stadt
verhindern. Bei der Bebauung ist Vorsicht im Umgang mit der
Topographie geboten.
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Foto: DAM, Kunsthistorisches Museum
Basel, Bauzeit 1931-36 |
Bonatz hat zahlreiche andere Bauten entworfen und
realisiert. Dazu zählt das Basler Kunstmuseum, Bauzeit
1931-36, was ein bekannter und besonderer Anziehungspunkt in
Basel ist. Kunstinteressierte werden nicht umhin kommen dort
vorbei zu gehen.
Das Treppenhaus im Gebäude wurde erst vor einigen Jahren
restauriert und erneuert. Die tragenden Säulendurchgänge auf
dem Bürgersteig und vor dem Eingang zum Innenhof haben eine
eigenwillige Ausdruckskraft. Die Säulen wirken sehr massig.
Eine
Eigenschaft des Kunstmuseum in Basel als auch des
Stuttgarter Hauptbahnhof ist die Kühlung durch ständige
Frischluftzufuhr ohne künstliche Belüftung. Wie der
Architekt Bonatz dies bewerkstelligt, ist schwer zu
erklären. Es ist aber unbedingt als Phänomen seiner Bauten
anzuerkennen. Bei diesem Ort handelt es sich deshalb um
einen genius loci.
Südliche
Einflüsse in die Fassadendekoration aufzunehmen, sind
typisch für den Duktus in der Architektursprache bei Bonatz.
Dennoch liegt ihm die sonnendurchflutete Süßlichkeit
südlicher Bauten nicht sonderlich, vielmehr dominiert eine
ausgeprägte Nüchternheit oder Sachlichkeit, indem südliche
Bezüge und Nüchternheit korrelieren, was nicht immer
geglückt ist. Woher das schroffe Angesicht der Bonatz
Fassaden rührt, hängt vielleicht mit den sparsamen
Zeitumständen zusammen und den Anforderungen die
resultieren. Antike Elemente spiegeln sich in den Entwürfen
für Triumphbögen. Das überdimensionierte Pathos der Bögen
beanspruchten später die Nationalsozialisten für sich.
Im Jahre
1943 emigrierte Bonatz in die Türkei. Er lehrte von 1946-54
an der Technischen Universität Istanbul. Zahlreiche seiner
Bauten wurden in Ankara und Istanbul wie in der gesamten
Türkei realisiert. Viele der Bauten bestehen bis heute in
der ursprünglichen Nutzung. Darunter zählt das Opernhaus in
Ankara im Baustil einer antiken Basilika. Entstanden ist der
längliche Schiffsbau in den Jahren 1946-48.
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Wolfgang Voigt, Kurator der
Bonatz-Ausstellung im DAM |
Kurator der Ausstellung im renovierten
und wiedereröffneten DAM ist Wolfgang
Voigt. Die Ausstellung läuft dort bis 22. März unter
dem Namen: "Paul Bonatz
1877–1956. Leben und
Bauen zwischen Neckar und Bosporus".
Im Architekturmuseum wurden in jüngeren Jahren
außerdem Architekten des frühen 20. Jahrhunderts,
wie Hans Poelzig, Martin Elsässer oder Dominikus
Böhm mit eigenen Ausstellungen bedacht. Diese
Generation der frühen Reformjahre wurde somit bereits mit
einer ganzen Reihe an Ausstellungen präsentiert. Auf
diesem Teilgebiet gäbe es noch einiges mehr zu
entdecken, auch die Jahre danach sind aus
architektonischer Sicht neu zu entdecken. Wobei einer
Ausstellung durchaus stärker die Möglichkeit gegeben
sein sollte ein neues Bild des Architekten mit seiner Architektur zu
entwickeln und zu entfalten.
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Modell des Opernhauses in Ankara |
Vor allem
was sich im Umland der großen Zentren abspielt, das
wird oftmals viel zu wenig berührt mangels Kenntnis der
Bauten und Örtlichkeiten an denen die Bauten stehen.
Das ist eine Aufforderung, damit auch unbekannte
Gebäude stärker bis in den Mittelpunkt einer Ausstellung
gelangen.
In der Ausstellung sind zahlreiche Modelle zu den
Bauten aufgestellt. Neben Entwurfszeichnungen gibt
es Fotos mit Bauwerken und Skizzen darüber sind
Bestandteil dieser Werkausstellung. Eindrucksvoll
füllen die Modelle zu Brückenbauten, Talsperren,
Entwürfe verschiedener Siedlungsbauten sowie
Einfamilienhäuser den engen Raum im Erdgeschoß des
Museums.
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