Der
erste Teil des Buches behandelt Einsichten und
Ansichten, die Haltungen und Werte beinhalten. Das
gemeinsame Gespräch, in dem sich Volkwin Marg (geb.
1936 in Königsberg)
darüber äußert, wo seine Wurzeln als Mensch und als
Architekt liegen, wer und was ihn beinflußt und wie
er arbeitet. Der zweite Teil des Buches enthält
Reden und Aufsätze Margs über 30 Jahre hinweg zu
aktuellen Stellungnahmen, Problemstellungen der
Architektur betreffend, wie zum Beispiel die
zukünftige Nutzung des Berliner Flughafens
Tempelhof. Wie im Vorwort wiedergegeben, verbindet
alle Texte die Überzeugung: Architekt sein, bedeutet
politisch tätig werden, indem gute Architektur immer
dem Sozialen verpflichtete Baukunst ist. Die
Bandbreite der behandelten Inhalte ist thematisch in
sechs große Kapitel unterteilt und durchzieht mehr
als drei Jahrzehnte.
Das Gespräch beginnt
und Volkwin Marg erzählt von seiner Kindheit, seiner
Erziehung und welchen Grundsätzen er vor dem
Hintergrund eines gebildeten Elternhauses seine
Treue schwor. Das ist schon sehr persönlich, wie der
Dialog zwischen Fragender und Antwortendem
ausgestaltet ist und sich mal so über 35 Seiten
erstreckt. Das Buch ist gebunden und das Schriftbild
leistet sein übriges, der Lesegenuß steht somit im
Vordergrund dieser Aufzeichnungen. Es wird nicht
gespart mit der Erwähnung an Bildungswächtern aus
der Antike und der Renaissance. Petrarca findet
Erwähnung. Ariadne und Theseus kommen vor. Das sind
Hinweise, hierbei handelt es sich nicht um ein
gewöhnliches Alltagsgespräch, sondern um eine Art
Kontemplation. Worauf sie hindeutet, ist nur schwer
zu ergründen. Natürlich fallen eine Reihe an
Bemerkungen zur Architektur oder vielmehr zur
Ingenieurkunst des Staudammbaus, was bestimmt nicht
einfach fallen dürfte, ein solches Thema in ein
Gespräch einzubinden. Von einer reinen Rückschau zu
sprechen, wäre nicht richtig, obwohl doch aus der
Vergangenheit erzählt wird. Wenigstens werden dabei
keine Ikonoklasten zur Schau gestellt.
Hier steht die
Forderung sich als politischer Mensch zu offenbaren,
wozu das Bekenntnis am Anfang ausgesprochen wurde.
Doch was ist das für eine Politik, die sich an den
Grundsätzen der Erziehung orientiert. Hier ist kein
Aufschrei hörbar, keine Klagen über Mißstände werden
geäußert, sondern eine Verpflichtung zum Städtebau
wird ausgerufen und mit den Phrasen gegen die zynische
Arroganz untermalt. So etwas führt zu
Insider-Gesprächen, die hier aber nicht gewollt sein
sollen. Vielmehr geht dem die Aufgabe voraus im
sozialen Sinne des aufgeklärten Denkens zu stehen. Ein
Dialog, der fast zu kurzweilig ist und ein ganzes Buch
füllen könnte bis die letzten Worte und Vermutungen
auch wirklich ausgesprochen sind. Man denke nur an
den Eupalinos Dialog von Paul Valéry.
Der Band aus dem
Prestel Verlag beinhaltet noch eine Reihe weiterer
Beiträge aus dem Leben Volkwin Margs. In seiner
biographischen Rückschau erweist er sich als
Gipfelstürmer, der immer noch Steigerungen kennt,
die es zu bewältigen gilt. Der Generationskonflikt
im Westen der 1960er Jahre verwunderte ihn, wie er
sich zu den Studentenprotesten dieser Jahre äußert.
Aus der Sicht eines früheren Ostdeutschen, als den
er sich bezeichnet, waren die Proteste noch
unverständlicher. Wer gibt schon die gelobte
Freiheit einfach auf? Aus diesen Einsichten ist eine
Mischung aus protestantischer Prüderie und
ideologisch gefärbten Inhalten der gepredigten
Marx-Engels Lektüre erwachsen, um mit Widerstand
die verbohrte Blindheit so mancher Intellektueller
im Westen aufzubrechen. Hier spricht der
Energetiker. Dennoch bleibt Volkwin Marg darin ein
Berufsgenosse, der fest entschlossen ist seiner
Traumberufung als Architekt konsequent nachzugehen.
In einem Buchbeitrag,
der aus einem Vortrag während eines Kolloquiums 1994
entstand, befaßt sich Marg mit dem langjährigen
Hamburger Stadtplaner Fritz Schumacher in
Architektur und Kunst. Hier wird auch Bezug genommen
auf die Pläne der Hafen-City. Marg ist ein
Fürsprecher der Stadt Hamburg. Ein weiterer
Beitrag aus dem Jahr 2002, befaßt sich mit
Palladio und dessen Spuren, die in die Gegenwart
führen. Bis hin zur Umsetzung Neue Messe Leipzig.
Regie und
Selbsterfahrung der Massen - Betrachtungen zu
Stadien und Arenen und Fußballstadion 2006 nennt
sich ein Beitrag im Kapitel: Architektur und
Gesellschaft. Dieses benennt den Architekten der
Französischen Revolution Boulleé und dessen
Entwurf für eine Arena. Der Beitrag: Sozialer
Wohnungsbau zwischen Resignation und Motivation aus
dem Jahr 1980 will Feststellungen treffen.
Verwalteter Mensch - zerwaltete Umwelt, 1981, ist
kritisch und führt zur Fragestellung: Wie wollen wir
weiterleben? Vorsicht für morgen, Untergangs- und
Zivilisationskritik.
Der Beitrag:
Architektur als Synthese von Konstruktion und
Technik, 2007, stellt Architekten und Ingenieure
janusköpfig gegenüber. Im nächsten Schritt
folgt das Schisma zwischen Kunst und Technik, um
dann zu einem dekonstruktivistischen Verfahren zu
gelangen. Viele der Beiträge sind mit zahlreichen
s/w Fotos bebildert. Hier findet auch Margs
3-Feld-Hängeklappbrücke für Fußgänger im
Kieler Hafen Erwähnung, die hier mit einer
Bilderserie in den verschiedenen Phasen abgebildet
ist. Diesen Beitrag wiederholte Marg im Jahre 2009
während eines Vortrags in Frankfurt, weil dieselben Beispiele ausgewählt wurden, der gleichen
Gliederung folgend vor einem mit Publikum gefüllten
Hörsaal.
Architektur und
Kritik setzt sich mit Projekten und
gesellschaftlichen Themen wie der Erhaltung des
Welterbes Elbufer auseinander. Kritisch benennt Marg den Umbau
der Großmarkthalle in Frankfurt: Todesstoß für eine
Ikone der Moderne. Oder das Beispiel Flughafen
Tempelhof - stufenweise Umwandlung in ein aktives
"Internationales Luft- und Raumfahrt Museum".
Den Ausklang bildet
Platon. Wiederum bestimmt ein Gespräch den
Inhalt, wie sämtliche Werke Platons in Gesprächsform
aufgezeichnet sind. Sokrates und Glaukon führen auf
knapp sechs Seiten einen Dialog über den Zustand der
Seele. Platon gilt als Begründer des Idealismus, er
war Schüler von Sokrates.
Volkwin Marg.
Architektur ist - natürlich nicht unpolitisch
Herausgegeben von Ingeborg
Flagge
Prestel Verlag, 1. Auflage 2009, München
Gebundene Ausgabe, 322 Seiten
Größe: 23,4 x 17 x 3 cm
Gewicht: 855g
ISBN-10: 3791342843
ISBN-13: 978-3791342849