DAS HERZ VON JENIN (Israel/ BRD 2008)

Dokumentarfilm

Regie: Marcus Vetter & Leon Geller

Sprache: Hebräisch/ Arabisch

mit Deutschen Untertiteln

Spieldauer: 89 Minuten

Kinostart 07. Mai 2009

Preisgekrönter Dokumentarfilm zum Thema Organspende eines Palästinensers an die Israeliten, erzählt die Geschichte Ismael Khatibs, dessen 12jähriger Sohn Ahmed 2005 im Flüchtlingslager von Jenin von Kugeln israelischer Soldaten tödlich am Kopf getroffen wird. Nachdem die Ärzte im Krankenhaus nur noch Ahmeds Hirntod feststellen können, entscheidet der Palästinenser Ismael, die Organe seines Sohnes israelischen Kindern zu spenden und damit deren Leben zu retten. Zwei Jahre später begibt er sich auf eine Reise quer durch Israel, um diese Kinder zu besuchen. Eine schmerzhafte und zugleich befreiende Reise, denn durch die Kinder kommt Ismael auch seinem Sohn wieder ganz nah.

  Text und Foto: Arsenalfilm    

Der 12-jährige Ahmed lebt 2005 mit seiner Familie in dem Flüchtlingslager Jenin im Westjordanland. 15.000 Menschen wohnen hierauf engem Raum unter schwierigen Lebensverhältnissen und das seit vielen Jahren. Jenin ist ein politisches Pulverfass, das jederzeit zu explodierend roht, die meisten Selbstmordattentäter, die Anschläge in Israel verüben, kommen von hier. Für die israelische Armee bedeutet Jenin eine große Gefahrenzone, deshalb ist sie hier militärisch omnipräsent. Für das Fest des Fastenbrechens zum Ende des Ramadans will sich Ahmed eine neue Krawatte kaufen. Seine Mutter schickt ihn um die Mittagszeit zu einem nahegelegenen Laden, doch auf dem Weg dorthin trifft Ahmed auf zwei Freunde. Einer von ihnen hat ein Spielzeuggewehr dabei, und so spielen die Kinder Krieg, wie andernorts Kinder »Räuber und Gendarm« spielen. Zeitgleich findet in Jenin eine Militärrazzia der israelischen Armee statt. Normalerweise werden diese in der Nacht durchgeführt, um so wenig Kontakt wie möglich mit der palästinensischen Bevölkerung zu haben. Doch dieses Mal muss die Einheit bei Tage ausrücken. Bei ihrem Vormarsch treffen die Soldaten auf die Kinder. Das Spielzeuggewehr, das Ahmed gerade in den Händen hält, wird von einem Soldaten fälschlicherweise für eine echte Kalaschnikow gehalten. Er schießt und trifft Ahmed tödlich am Kopf.

Im Krankenhaus von Haifa können die Ärzte nur noch seinen Hirntot feststellen. Ein Pfleger vor Ort spricht den Vater des Jungen, Ismael Khatib, auf die Möglichkeit einer Organspende an. Für die Familie eine schwere Entscheidung, zudemeine, die schnell getroffen werden muss. Doch Ismael Khatib und seine Frau Abla stimmen zu, die Organe ihres Sohnes israelischen Kindern zu spenden. Zuvor aber benötigt Ismael Khatib die Erlaubnis des Imams von Jenin. Auch den Chef der militanten Al-Aksa-Brigaden in Jenin bittet Ismael Khatib um seine Einschätzung. Von beiden erhält er die Zustimmung für die Organspende – auch als klar wird, dass Kinder aus jüdisch-orthodoxen Familien als Empfängerin Betracht gezogen werden. Sechs Kinder, die ohne eine Transplantation keine Überlebenschancen gehabt hätten, erhalten dank der Organspende die Möglichkeit einer lebensrettenden Operation.

Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Ismael Khatib verspürt den großen Wunsch, die Kinder kennenzulernen, möchte erfahren, wie es ihnen heute geht. Drei Empfängerfamilien möchten anonym bleiben, doch drei Kinder wird er treffen können. Zuerst besucht er Samah, ein junges Mädchen, das aus einer Drusenfamilie stammt und in den nördlichen Hügeln nahe der libanesischen Grenze lebt. Dank Ahmeds Herz kann sie nunmehr unbeschwert leben wie jeder andere Teenager. Dann trifft Ismael den kleinen Mohammed, Sohn eines Beduinen, der, seit er nicht mehr täglich zur Dialyse muss, in den Weiten der Negev-Wüste seinem unbändigen Lebensdrang freien Lauf lassen kann. Schwieriger ist der Kontakt zu Menuha, deren ultra-orthodoxe Eltern sich in einem großen Zwiespalt befinden. Als Eltern sind sie überglücklich, dass ihre Tochter dank der gespendeten Niereüberleben kann. Als strenggläubige Juden hadern sie mit der Tatsache, dass das Organ von einem palästinensischen Jungen stammt. Ismaels Reise führt ihn quer durch Israel. Für ihn ist sie schmerzhaft und zugleich befreiend, denn durch die Kinder kommt er auch seinem eigenen Sohn wieder ganz nah.

Begleitet wird Ismael Khatib von einem deutsch-israelischen Filmteam. Die beiden Regisseure, der Deutsche Marcus Vetter und der Israeli Leon Geller, recherchierten die Hintergründe zu dieser tragischen Geschichte und erzählen beeindruckend anhand der Reise, wie eine zutiefst menschliche Geste wahrhaftig Hoffnung stiften kann. Ganz real im Hier und Jetzt und vielleicht auch für die Zukunft – denn, so Ismael Khatib: »Kinder können keine Feinde sein, Kinder tragen keine Schuld«.

Wie DAS HERZ VON JENIN zur EIKON kam

von Ulli Pfau, Geschäftsführer EIKON Südwest GmbH, Film und Fernsehproduktion

Auf dem Berlinale-Talent Campus 2006 stellte der junge israelische Regisseur Leon Geller die Geschichte von Ismael Khatib und seiner visionären Friedensgeste vor. Dazuzeigte Geller Filmaufnahmen von der Herztransplantation der kleinen Samah, die er geistesgegenwärtig gedreht hatte, als die Nachrichten in Israel und Palästina die Geschichte zur Cover-Story gemacht hatten. Ein Jahr später – wieder während der Berlinale – trafen sich Leon Geller und Marcus Vetter erstmals, um über eine Zusammenarbeit zu sprechen. Marcus Vetter kannte die Geschichte aus der Presse und war fasziniert von der Tat des Ismael Khatib. Die beiden Regisseure vereinbarten Arbeitsteilung: Leon Geller sollte für die Dreharbeiten verantwortlich sein, Marcus Vetter und seine langjährige Cutterin Saskia Metten für den Schnitt. Schnell waren der Südwestrundfunk als Koproduzent und die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg als Förderinstitution gewonnen.

Es konnte losgehen: gedreht wurde im Sommer 2007 in Israel und in Jenin / Westjordanland. Sechs Monate dauerte der Schnitt, fertig gestellt wurde DAS HERZ VON JENIN im Frühjahr 2008, rechtzeitig zur ersten öffentlichen Vorführung auf dem Internationalen Filmfestival in Jerusalem in Anwesenheit der Protagonisten.

 

Marcus Vetter wurde 1967 in Stuttgart geboren, studierte European Business Management in Worms, Buenos Aires und Madrid. Nach einem Volontariat bei der Bavaria Film in München, absolvierte er das Aufbaustudium Medienwissenschaft/ Medienpraxis an der Universität Tübingen. Seit 1994 ist Marcus Vetter als freier Redakteur und Dokumentarfilmer beim SDR und SWR tätig. Seine autobiografische Filmdokumentation "Mein Vater, der Türke" erhielt 2006 den Prix Europa für Dokumentarfilme. Für die Filme "Der Tunnel" (2000) und "Wo das Geld wächst" (2001) erhielt er den Adolf-Grimme-Preis. Der Film DAS HERZ VON JENIN erhielt im Februar 2009 in Berlin den »Cinema for Peace Award« in der Kategorie »Bester Dokumentarfilm«.

 

 

Filmografie

2008 DAS HERZ VON JENIN, Dokumentarfilm

2007 Traders‘ Dreams – the ebay world

2006 Die Unterzerbrechlichen

2006 Mein Vater, der Türke

2003 La Florida

2002 Wargames

2001 Broadway Bruchsal

2000 Wo das Geld wächst

1999 The Tunnel

1999 Ein Schweinegeld

 

Marcus Vetter: Ich wurde im Herbst 2007 von EIKON in Berlin angerufen, ob ich in das Projekt DAS HERZ VON JENIN mit einsteigen wolle. Leon Geller hatte schon 2005 die Szenen im Krankenhaus und andere Sequenzen gedreht. Ich habe schnell zugesagt: das Thema reizte mich, ein weiterer Beweggrund war, mit einem israelischen Regisseur zusammenzuarbeiten. Wir waren oft unterschiedlicher Ansicht, besonders bei der Thematik und dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, denn Leon Geller ist Jude. Er wollte vor allem die Beziehung zwischen Ismael Khatib und dem drusischen Mädchen Samah, die das Herz des getöteten Jungen bekommen hat, erzählen. Mein Ziel dagegen war es, alle Stationen des Vaters bei seiner Reise zu verfolgen und auch den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis zu zeigen. Ganz abgesehen von dem aktuellen Krieg in Gaza, durch den der Film eine besondere Aufmerksamkeit bekommt und vielleicht damit ein Zeichen des Friedens setzt, kann DAS HERZ VON JENIN dazu beitragen, Vorurteile abzubauen. Das Interessante ist, dass man im Film nur freundliche und feine Menschen kennen lernt. Da ist zum Beispiel diese drusische Familie, deren Tochter das Spenderherz bekommen hat oder die beduinische Familie mit dem fröhlichen Vater, der immer lacht. Auch dann noch, als er erzählt, dass sein Haus jederzeit zerstört werden könne. Für mich ist das gesamte Ensemble an Protagonisten etwas ganz Besonderes und hilft uns, den Blick für andere Menschen und Kulturen zu schärfen.

 

Leon Geller wurde in New Jersey, USA, geboren und wuchs dort auf. Später zog er nach Israel und immatrikulierte sich an der Filmhochschule in Tel Aviv, wo er 2006 sein Studium beendete. Sein Abschluss-Kurzfilm gewann 14 internationale Preise und brachte ihm die Nominierung für einen Oscar der Academy of Motion Pictures Arts & Sciences. Er arbeitet zur Zeit für das israelische Fernsehen und an einem neuen Spielfilm.

 

Filmografie

2008 DAS HERZ VON JENIN, Dokumentarfilm

2007 Roads, Kurzfilm Leon Geller – Personal Director’s Note

 

Der tragische Tod des zwölfjährigen Ahmed Khatib stürzte seine Familie in Jenin in große Verzweiflung. Doch in den ersten entscheidenden Stunden nach seinem Tod wurde sein Vater Ismael vor eine große Entscheidung gestellt. Er entschied sich für das »Leben« und verwandelte damit wiederum sein persönliches Leid in ein lebensrettendes Wunder. Ich hörte von Ismaels Geschichte direkt am Morgen von Ahmeds Tod. Und bereits am gleichen Abend begann ich mit Filmaufnahmen über diesen fantastischen Gang der Ereignisse, der schließlich zu der Operation der Kinder führte, die inzwischen glücklich mit den gespendeten Organen leben dürfen. Die Familien dieser Kinder schulden Ismael Khatib Dank, weil er ihnen Leben schenkte; wir schulden Ismael Khatib Dank, weil er uns Hoffnung gab.

Stab
Buch und Regie . . . . . Leon Geller, Marcus Vetter
Kamera . . . . . . . . . . . . Nadav Hekselmann
Schnitt . . . . . . . . . . . . Saskia Metten
Originalmusik. . . . . . . Erez Koskas
Produktionsleitung . . Kristin Holst, Yariv Mozer (Israel)
Produzenten . . . . . . . . Ernst Ludwig Ganzert, Ulli Pfau
Produktion . . . . . . . . . EIKON Südwest
Redaktion . . . . . . . . . . Gudrun Hanke El Ghomri,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martina Zöllner / SWR

 

Titelseite

vom 10. Mai 2009