Der
12-jährige Ahmed lebt 2005 mit seiner Familie in dem
Flüchtlingslager Jenin im Westjordanland. 15.000
Menschen wohnen hierauf engem Raum unter schwierigen
Lebensverhältnissen und das seit vielen Jahren.
Jenin ist ein politisches Pulverfass, das jederzeit
zu explodierend roht, die meisten
Selbstmordattentäter, die Anschläge in Israel
verüben, kommen von hier. Für die israelische Armee
bedeutet Jenin eine große Gefahrenzone, deshalb ist
sie hier militärisch omnipräsent. Für das Fest des
Fastenbrechens zum Ende des Ramadans will sich Ahmed
eine neue Krawatte kaufen. Seine Mutter schickt ihn
um die Mittagszeit zu einem nahegelegenen Laden,
doch auf dem Weg dorthin trifft Ahmed auf zwei
Freunde. Einer von ihnen hat ein Spielzeuggewehr
dabei, und so spielen die Kinder Krieg, wie
andernorts Kinder »Räuber und Gendarm« spielen.
Zeitgleich findet in Jenin eine Militärrazzia der
israelischen Armee statt. Normalerweise werden diese
in der Nacht durchgeführt, um so wenig Kontakt wie
möglich mit der palästinensischen Bevölkerung zu
haben. Doch dieses Mal muss die Einheit bei Tage
ausrücken. Bei ihrem Vormarsch treffen die Soldaten
auf die Kinder. Das Spielzeuggewehr, das Ahmed
gerade in den Händen hält, wird von einem Soldaten
fälschlicherweise für eine echte Kalaschnikow
gehalten. Er schießt und trifft Ahmed tödlich am
Kopf.
Im
Krankenhaus von Haifa können die Ärzte nur noch
seinen Hirntot feststellen. Ein Pfleger vor Ort
spricht den Vater des Jungen, Ismael Khatib, auf die
Möglichkeit einer Organspende an. Für die Familie
eine schwere Entscheidung, zudemeine, die schnell
getroffen werden muss. Doch Ismael Khatib und seine
Frau Abla stimmen zu, die Organe ihres Sohnes
israelischen Kindern zu spenden. Zuvor aber benötigt
Ismael Khatib die Erlaubnis des Imams von Jenin.
Auch den Chef der militanten Al-Aksa-Brigaden in
Jenin bittet Ismael Khatib um seine Einschätzung.
Von beiden erhält er die Zustimmung für die
Organspende – auch als klar wird, dass Kinder aus
jüdisch-orthodoxen Familien als Empfängerin Betracht
gezogen werden. Sechs Kinder, die ohne eine
Transplantation keine Überlebenschancen gehabt
hätten, erhalten dank der Organspende die
Möglichkeit einer lebensrettenden Operation.
Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Ismael Khatib
verspürt den großen Wunsch, die Kinder
kennenzulernen, möchte erfahren, wie es ihnen heute
geht. Drei Empfängerfamilien möchten anonym bleiben,
doch drei Kinder wird er treffen können. Zuerst
besucht er Samah, ein junges Mädchen, das aus einer
Drusenfamilie stammt und in den nördlichen Hügeln
nahe der libanesischen Grenze lebt. Dank Ahmeds Herz
kann sie nunmehr unbeschwert leben wie jeder andere
Teenager. Dann trifft Ismael den kleinen Mohammed,
Sohn eines Beduinen, der, seit er nicht mehr täglich
zur Dialyse muss, in den Weiten der Negev-Wüste
seinem unbändigen Lebensdrang freien Lauf lassen
kann. Schwieriger ist der Kontakt zu Menuha, deren
ultra-orthodoxe Eltern sich in einem großen
Zwiespalt befinden. Als Eltern sind sie
überglücklich, dass ihre Tochter dank der
gespendeten Niereüberleben kann. Als strenggläubige
Juden hadern sie mit der Tatsache, dass das Organ
von einem palästinensischen Jungen stammt. Ismaels
Reise führt ihn quer durch Israel. Für ihn ist sie
schmerzhaft und zugleich befreiend, denn durch die
Kinder kommt er auch seinem eigenen Sohn wieder ganz
nah.
Begleitet wird Ismael Khatib von einem
deutsch-israelischen Filmteam. Die beiden
Regisseure, der Deutsche Marcus Vetter und der
Israeli Leon Geller, recherchierten die Hintergründe
zu dieser tragischen Geschichte und erzählen
beeindruckend anhand der Reise, wie eine zutiefst
menschliche Geste wahrhaftig Hoffnung stiften kann.
Ganz real im Hier und Jetzt und vielleicht auch für
die Zukunft – denn, so Ismael Khatib: »Kinder können
keine Feinde sein, Kinder tragen keine Schuld«.
Wie DAS HERZ VON JENIN zur EIKON kam
von Ulli Pfau,
Geschäftsführer EIKON Südwest GmbH, Film und
Fernsehproduktion
Auf
dem Berlinale-Talent Campus 2006 stellte der junge
israelische Regisseur Leon Geller die Geschichte von
Ismael Khatib und seiner visionären Friedensgeste
vor. Dazuzeigte Geller Filmaufnahmen von der
Herztransplantation der kleinen Samah, die er
geistesgegenwärtig gedreht hatte, als die
Nachrichten in Israel und Palästina die Geschichte
zur Cover-Story gemacht hatten. Ein Jahr später –
wieder während der Berlinale – trafen sich Leon
Geller und Marcus Vetter erstmals, um über eine
Zusammenarbeit zu sprechen. Marcus Vetter kannte die
Geschichte aus der Presse und war fasziniert von der
Tat des Ismael Khatib. Die beiden Regisseure
vereinbarten Arbeitsteilung: Leon Geller sollte für
die Dreharbeiten verantwortlich sein, Marcus Vetter
und seine langjährige Cutterin Saskia Metten für den
Schnitt. Schnell waren der Südwestrundfunk als
Koproduzent und die Medien- und Filmgesellschaft
Baden-Württemberg als Förderinstitution gewonnen.
Es konnte
losgehen: gedreht wurde im Sommer 2007 in Israel und
in Jenin / Westjordanland. Sechs Monate dauerte der
Schnitt, fertig gestellt wurde DAS HERZ VON JENIN im
Frühjahr 2008, rechtzeitig zur ersten öffentlichen
Vorführung auf dem Internationalen Filmfestival in
Jerusalem in Anwesenheit der Protagonisten.
Marcus
Vetter wurde 1967 in Stuttgart geboren,
studierte European Business Management in Worms,
Buenos Aires und Madrid. Nach einem Volontariat bei
der Bavaria Film in München, absolvierte er das
Aufbaustudium Medienwissenschaft/ Medienpraxis an
der Universität Tübingen. Seit 1994 ist Marcus
Vetter als freier Redakteur und Dokumentarfilmer
beim SDR und SWR tätig. Seine autobiografische
Filmdokumentation "Mein Vater, der Türke" erhielt
2006 den Prix Europa für Dokumentarfilme. Für die
Filme "Der Tunnel" (2000) und "Wo das Geld wächst"
(2001) erhielt er den Adolf-Grimme-Preis. Der Film
DAS HERZ VON JENIN erhielt im Februar 2009 in Berlin
den »Cinema for Peace Award« in der Kategorie
»Bester Dokumentarfilm«.
Filmografie
2008 DAS
HERZ VON JENIN, Dokumentarfilm
2007
Traders‘ Dreams – the ebay world
2006 Die
Unterzerbrechlichen
2006 Mein
Vater, der Türke
2003 La
Florida
2002
Wargames
2001
Broadway Bruchsal
2000 Wo
das Geld wächst
1999 The
Tunnel
1999 Ein
Schweinegeld
Marcus Vetter: Ich wurde im Herbst 2007 von EIKON in
Berlin angerufen, ob ich in das Projekt DAS HERZ VON JENIN mit einsteigen wolle. Leon Geller hatte schon
2005 die Szenen im Krankenhaus und andere Sequenzen
gedreht. Ich habe schnell zugesagt: das Thema reizte
mich, ein weiterer Beweggrund war, mit einem
israelischen Regisseur zusammenzuarbeiten. Wir waren
oft unterschiedlicher Ansicht, besonders bei der
Thematik und dem Konflikt zwischen Israelis und
Palästinensern, denn Leon Geller ist Jude. Er wollte
vor allem die Beziehung zwischen Ismael Khatib und
dem drusischen Mädchen Samah, die das Herz des
getöteten Jungen bekommen hat, erzählen. Mein Ziel
dagegen war es, alle Stationen des Vaters bei seiner
Reise zu verfolgen und auch den Konflikt zwischen
Palästinensern und Israelis zu zeigen. Ganz
abgesehen von dem aktuellen Krieg in Gaza, durch den
der Film eine besondere Aufmerksamkeit bekommt und
vielleicht damit ein Zeichen des Friedens setzt,
kann DAS HERZ VON JENIN dazu beitragen, Vorurteile
abzubauen. Das Interessante ist, dass man im Film
nur freundliche und feine Menschen kennen lernt. Da
ist zum Beispiel diese drusische Familie, deren
Tochter das Spenderherz bekommen hat oder die
beduinische Familie mit dem fröhlichen Vater, der
immer lacht. Auch dann noch, als er erzählt, dass
sein Haus jederzeit zerstört werden könne. Für mich
ist das gesamte Ensemble an Protagonisten etwas ganz
Besonderes und hilft uns, den Blick für andere
Menschen und Kulturen zu schärfen.
Leon
Geller wurde in New Jersey, USA, geboren und
wuchs dort auf. Später zog er nach Israel und
immatrikulierte sich an der Filmhochschule in Tel
Aviv, wo er 2006 sein Studium beendete. Sein
Abschluss-Kurzfilm gewann 14 internationale Preise
und brachte ihm die Nominierung für einen Oscar der
Academy of Motion Pictures Arts & Sciences. Er
arbeitet zur Zeit für das israelische Fernsehen und
an einem neuen Spielfilm.
Filmografie
2008 DAS
HERZ VON JENIN, Dokumentarfilm
2007
Roads, Kurzfilm Leon Geller – Personal Director’s
Note
Der
tragische Tod des zwölfjährigen Ahmed Khatib stürzte
seine Familie in Jenin in große Verzweiflung. Doch
in den ersten entscheidenden Stunden nach seinem Tod
wurde sein Vater Ismael vor eine große Entscheidung
gestellt. Er entschied sich für das »Leben« und
verwandelte damit wiederum sein persönliches Leid in
ein lebensrettendes Wunder. Ich hörte von Ismaels
Geschichte direkt am Morgen von Ahmeds Tod. Und
bereits am gleichen Abend begann ich mit
Filmaufnahmen über diesen fantastischen Gang der
Ereignisse, der schließlich zu der Operation der
Kinder führte, die inzwischen glücklich mit den
gespendeten Organen leben dürfen. Die Familien
dieser Kinder schulden Ismael Khatib Dank, weil er
ihnen Leben schenkte; wir schulden Ismael Khatib
Dank, weil er uns Hoffnung gab.
Stab
Buch und Regie . . . . . Leon Geller, Marcus Vetter
Kamera . . . . . . . . . . . . Nadav Hekselmann
Schnitt . . . . . . . . . . . . Saskia Metten
Originalmusik. . . . . . . Erez Koskas
Produktionsleitung . . Kristin Holst, Yariv Mozer
(Israel)
Produzenten . . . . . . . . Ernst Ludwig Ganzert,
Ulli Pfau
Produktion . . . . . . . . . EIKON Südwest
Redaktion . . . . . . . . . . Gudrun Hanke El Ghomri,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martina
Zöllner / SWR