RELIGULOUS (USA 2008)

Doku-Satire

 

Regie: Larry Charles

 

Spieldauer: 96 Minuten

Kinostart  2. April 2009

Doku-Satire in der Bill Maher scharfzüngig und bissig gottesfürchtigen Gesprächspartnern den Spiegel vorhält und politisch unkoschere Fragen formuliert.
 

Text und Foto: Central Film   

Regisseur und „Seinfeld“-Autor Larry Charles ist mit einem neuen provozierenden Filmthema zurück gekommen. Er befaßt sich in seinem Film mit den  Religionen und ihre Auswüchse in unserer Welt. In RELIGULOUS schickt er den politisch-inkorrekten, scharfzüngigen und gnadenlos ehrlichen Fernsehtalker, Bestseller-Autor und Komiker Bill Maher durch die Welt, um Gläubige mit jeglicher Couleur an Fragen zu konfrontieren. Die Wortschöpfung des Titels ist dabei Programm: RELIGULOUS ist zusammengesetzt aus „religious" (dt: religiös) und „ridiculous" (dt: lächerlich) – und nicht zuletzt der Lächerlichkeit organisierter Religionen sind Maher und Charles mit Kamera und Mikrofon auf der Spur. Entstanden ist dabei eine beißend satirische Dokumentation voller Humor und Verstand, die ihre Weltpremiere beim 33. Toronto International Film Festival feierte.

 

Bill Maher, der legendäre US Late Night Talker, kann es einfach nicht glauben. Wie können rational denkende Menschen ernsthaft glauben, dass sie beim Abendmahl das Blut Christi trinken oder nach dem Märtyrertod Jungfrauen im Jenseits auf sie warten. Gemeinsam mit Kultregisseur Larry Charles („Borat“) begibt er sich auf eine spirituelle Reise der ganz anderen Art. Auf ihrem Kreuzzug begegnen ihnen überzeugte Gottesgläubige jeglicher Couleur, ob mit Kamera in der Hand bei der Jesus-Parade im Freizeitpark, im THC-Rausch in der Cannabis Kirche, auf dem Petersplatz oder in der Truckerkirche, Bill Maher stellt immer wieder fest, dass es beim Glauben einfach keine Grenzen gibt. Scharfzüngig und bissig hält er seinen gottesfürchtigen Gesprächspartnern den Spiegel vor und sorgt durch seine herrlich, politisch unkoscheren Fragen dafür, dass ihnen das Abendmahl im Halse stecken bleibt, aber man wird doch wohl noch fragen dürfen.
 

Wo fängt man als Sohn einer Jüdin und eines Katholiken an, wenn man Antworten sucht auf die Fragen, warum eigentlich so viele mitunter sogar kluge Menschen an Gott, Allah und ähnliches glauben und ob nicht Religion doch einfach nur großer Humbug ist? Bill Maher, Fernsehmoderator, Komiker und bekennender Agnostiker, beginnt bei seiner eigenen Familie. Schließlich muss es doch einen Grund geben, warum im Hause Maher weder das Judentum noch der Katholizismus eine echte Rolle spielten.

Doch in der Hoffnung auf erhellende (und vielleicht sogar erleuchtende) Antworten zieht Maher mit seinem Kamerateam weiter. Auf gläubige Christen stößt er dabei nicht nur in engen Container-Kapellen für Highway-Trucker, sondern auch in der Politik – wo ein demokratischer Senator mit der Evolution hadert – und sogar in der Wissenschaft. Dass die Bibel keine fiktiven Geschichten, sondern die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit erzählt, glaubt man dabei nicht nur im Schöpfungsmuseum in Kentucky, dessen Ausstellung zeigt, wie Menschenkinder zu den Füßen von Dinosauriern spielten. Auch andere Gesprächspartner verstehen nicht, wieso man an Jonas’ dreitägigem Aufenthalt im Inneren eines Fisches oder der Sache mit der sprechenden Schlange Zweifel hegen kann.

 

Immer wieder kommt es auf Mahers religiösem Roadtrip zu denkwürdigen Begegnungen, etwa mit Jeremiah Cummings, einem ehemaligen Moslem und Soulsänger, der heute als Priester DVDs verkauft und mindestens so gut gekleidet ist wie früher Jesus. Oder auch mit dem Puerto Ricaner Jose Luis de Jesus Miranda, der sich als Reinkarnation Christi mächtig ins Zeug legt, sein Gegenüber um den Finger zu wickeln - wie die begeisterten Anhänger seiner Kirche. Ganz zu schweigen von dem zur Heterosexualität bekehrten Pfarrer, der in seiner kleinen Gemeinde allen Schwulen dabei helfen möchte, die Sünde der Homosexualität hinter sich zu lassen.

 

Gleich um die Ecke, in einem biblischen Freizeitpark in Florida, erklärt nach einer ergriffen beklatschten Musical-Darbietung der Kreuzigungsgeschichte sogar Jesus höchstpersönlich (oder zumindest sein Darsteller) den Vater, den Geist und den heiligen Sohn. Kritische Stimmen bekommt Maher dagegen ausgerechnet im Vatikan zu hören, wo gestandene Gelehrte weder von der Bibel als Wissenschaft noch von der Hölle etwas wissen wollen. Was aber natürlich trotzdem nicht bedeutet, dass Kameraaufnahmen im Heiligsten der katholischen Kirche erlaubt wären!

 

Auch auf dem Gelände des riesigen Mormonen-Tempels in Salt Lake City werden die Dreharbeiten schnell und unfreiwillig wieder beendet, doch natürlich hält das Maher nicht davon ab, auch andere Religionen als das Christentum ins Visier zu nehmen. Als Penner verkleidet enthüllt er am Speakers’ Corner im Londoner Hyde Park beim Rezitieren der Scientology-Lehre den schmalen Grad zwischen Religion und Irrsinn und auch auf jüdischer Seite ist niemand vor seinen Fragen sicher. Schon gar nicht der anti-zionistische Rabbi, der sich von Präsident Ahmadinedschad in den Iran einladen ließ. Bis nach Holland zieht es Maher schließlich, und das nicht nur, um festzustellen, ob dort muslimische Politikerinnen genauso über den Koran denken wie in England der streitbare Rapper mit dem einfallsreichen Namen Propa-Gandhi.

 

Irgendwann steht Maher in Meggido, jenem Ort, an dem sich laut der Offenbarung des Johannes die Apokalypse ereignen wird. Dieser biblischen Prophezeiung mag er sich natürlich nicht anschließen. Aber zumindest eine Erkenntnis scheint ihm am Ende seines spirituellen Pilgerwegs der etwas anderen Art sicher zu sein: der Weltuntergang steht tatsächlich bevor. Zumindest wenn die Menschheit sich weiterhin lieber mit ihrem Glauben an eine höhere Macht irgendwo im Himmel beschäftigt, als mit den Kriegen, Umweltzerstörungen und Atombomben, die unsere Erde ganz aktuell bedrohen.

Erste Erfahrungen an der Filmkamera sammelte Anthony Hardwick als Kameraassistent bei Konzertmitschnitten von Künstlern wie Billy Joel, Eric Clapton, Annie Lennox und Harry Connick jr.

 

 

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vom 02. Mai 2009