Regisseur und „Seinfeld“-Autor
Larry Charles ist mit einem neuen provozierenden Filmthema zurück
gekommen. Er befaßt sich in seinem Film mit den Religionen und
ihre Auswüchse in unserer Welt. In RELIGULOUS schickt er den
politisch-inkorrekten, scharfzüngigen und gnadenlos ehrlichen
Fernsehtalker, Bestseller-Autor und Komiker Bill Maher durch die
Welt, um Gläubige mit jeglicher Couleur an Fragen zu konfrontieren.
Die Wortschöpfung des Titels ist dabei Programm: RELIGULOUS ist
zusammengesetzt aus „religious" (dt: religiös) und „ridiculous" (dt:
lächerlich) – und nicht zuletzt der Lächerlichkeit organisierter
Religionen sind Maher und Charles mit Kamera und Mikrofon auf der
Spur. Entstanden ist dabei eine beißend satirische Dokumentation
voller Humor und Verstand, die ihre Weltpremiere beim 33. Toronto
International Film Festival feierte.
Bill Maher, der
legendäre US Late Night Talker, kann es einfach nicht glauben. Wie
können rational denkende Menschen ernsthaft glauben, dass sie beim
Abendmahl das Blut Christi trinken oder nach dem Märtyrertod
Jungfrauen im Jenseits auf sie warten. Gemeinsam mit Kultregisseur
Larry Charles („Borat“) begibt er sich auf eine spirituelle Reise
der ganz anderen Art. Auf ihrem Kreuzzug begegnen ihnen überzeugte
Gottesgläubige jeglicher Couleur, ob mit Kamera in der Hand bei der
Jesus-Parade im Freizeitpark, im THC-Rausch in der Cannabis Kirche,
auf dem Petersplatz oder in der Truckerkirche, Bill Maher stellt
immer wieder fest, dass es beim Glauben einfach keine Grenzen gibt.
Scharfzüngig und bissig hält er seinen gottesfürchtigen
Gesprächspartnern den Spiegel vor und sorgt durch seine herrlich,
politisch unkoscheren Fragen dafür, dass ihnen das Abendmahl im
Halse stecken bleibt, aber man wird doch wohl noch fragen dürfen.
Wo fängt man als Sohn
einer Jüdin und eines Katholiken an, wenn man Antworten sucht auf
die Fragen, warum eigentlich so viele mitunter sogar kluge Menschen
an Gott, Allah und ähnliches glauben und ob nicht Religion doch
einfach nur großer Humbug ist? Bill Maher, Fernsehmoderator, Komiker
und bekennender Agnostiker, beginnt bei seiner eigenen Familie.
Schließlich muss es doch einen Grund geben, warum im Hause Maher
weder das Judentum noch der Katholizismus eine echte Rolle spielten.
Doch in der Hoffnung auf
erhellende (und vielleicht sogar erleuchtende) Antworten zieht Maher
mit seinem Kamerateam weiter. Auf gläubige Christen stößt er dabei
nicht nur in engen Container-Kapellen für Highway-Trucker, sondern
auch in der Politik – wo ein demokratischer Senator mit der
Evolution hadert – und sogar in der Wissenschaft. Dass die Bibel
keine fiktiven Geschichten, sondern die reine Wahrheit und nichts
als die Wahrheit erzählt, glaubt man dabei nicht nur im
Schöpfungsmuseum in Kentucky, dessen Ausstellung zeigt, wie
Menschenkinder zu den Füßen von Dinosauriern spielten. Auch andere
Gesprächspartner verstehen nicht, wieso man an Jonas’ dreitägigem
Aufenthalt im Inneren eines Fisches oder der Sache mit der
sprechenden Schlange Zweifel hegen kann.
Immer wieder kommt es auf
Mahers religiösem Roadtrip zu denkwürdigen Begegnungen, etwa mit
Jeremiah Cummings, einem ehemaligen Moslem und Soulsänger, der heute
als Priester DVDs verkauft und mindestens so gut gekleidet ist wie
früher Jesus. Oder auch mit dem Puerto Ricaner Jose Luis de Jesus
Miranda, der sich als Reinkarnation Christi mächtig ins Zeug legt,
sein Gegenüber um den Finger zu wickeln - wie die begeisterten
Anhänger seiner Kirche. Ganz zu schweigen von dem zur
Heterosexualität bekehrten Pfarrer, der in seiner kleinen Gemeinde
allen Schwulen dabei helfen möchte, die Sünde der Homosexualität
hinter sich zu lassen.
Gleich um die Ecke, in
einem biblischen Freizeitpark in Florida, erklärt nach einer
ergriffen beklatschten Musical-Darbietung der Kreuzigungsgeschichte
sogar Jesus höchstpersönlich (oder zumindest sein Darsteller) den
Vater, den Geist und den heiligen Sohn. Kritische Stimmen bekommt
Maher dagegen ausgerechnet im Vatikan zu hören, wo gestandene
Gelehrte weder von der Bibel als Wissenschaft noch von der Hölle
etwas wissen wollen. Was aber natürlich trotzdem nicht bedeutet,
dass Kameraaufnahmen im Heiligsten der katholischen Kirche erlaubt
wären!
Auch auf dem Gelände des
riesigen Mormonen-Tempels in Salt Lake City werden die Dreharbeiten
schnell und unfreiwillig wieder beendet, doch natürlich hält das
Maher nicht davon ab, auch andere Religionen als das Christentum ins
Visier zu nehmen. Als Penner verkleidet enthüllt er am Speakers’
Corner im Londoner Hyde Park beim Rezitieren der Scientology-Lehre
den schmalen Grad zwischen Religion und Irrsinn und auch auf
jüdischer Seite ist niemand vor seinen Fragen sicher. Schon gar
nicht der anti-zionistische Rabbi, der sich von Präsident
Ahmadinedschad in den Iran einladen ließ. Bis nach Holland zieht es
Maher schließlich, und das nicht nur, um festzustellen, ob dort
muslimische Politikerinnen genauso über den Koran denken wie in
England der streitbare Rapper mit dem einfallsreichen Namen
Propa-Gandhi.
Irgendwann steht Maher in
Meggido, jenem Ort, an dem sich laut der Offenbarung des Johannes
die Apokalypse ereignen wird. Dieser biblischen Prophezeiung mag er
sich natürlich nicht anschließen. Aber zumindest eine Erkenntnis
scheint ihm am Ende seines spirituellen Pilgerwegs der etwas anderen
Art sicher zu sein: der Weltuntergang steht tatsächlich bevor.
Zumindest wenn die Menschheit sich weiterhin lieber mit ihrem
Glauben an eine höhere Macht irgendwo im Himmel beschäftigt, als mit
den Kriegen, Umweltzerstörungen und Atombomben, die unsere Erde ganz
aktuell bedrohen.
Erste Erfahrungen an der Filmkamera sammelte Anthony Hardwick als
Kameraassistent bei Konzertmitschnitten von Künstlern wie Billy
Joel, Eric Clapton, Annie Lennox und Harry Connick jr.