Ganz
abgesehen von seiner äußerlichen Aufmachung und seiner fünf Kapitel,
vermittelt das Buch ein fundiertes Wissen, das sich in seiner Fülle
durchaus mit den Quellen der Humanisten vergleichen läßt. Nicht nur
die zahlreichen Belege, die bis auf Augustinus und zeitlich noch
weiter zurückreichen, sondern auch die Erwähnung zeitgenössischer
Autoren verschiedenster Gattungen bereichern den Text auf das
Vielfältigste. Doch was ist Zärtlichkeit eigentlich? Eine erste
abwehrende Antwort der Selbstbetroffenheit des Autors hierauf
lautet: "Ich weiß es nicht". Um sogleich überzuleiten, er wisse nur
nicht was Zärtlichkeit sei, wenn er danach gefragt würde, sonst
wisse er schon was gemeint ist.
Die fünf Kapitel im
Buch haben jeweils einen Schwerpunkt, der sich immer nur einer
ausgesuchten Fragestellung widmet. Die gebundene Ausgabe umfaßt 144
Seiten. Auf dem Schutzumschlag sind Foto und eine Kurzbiographie des
Verfassers wiedergegeben. Die Zielgruppe für die das Buch geschrieben
wurde, dürfte eher bei jungen Frauen liegen, die über eigenen Horizont verfügen und diesen aus weltanschaulicher Sicht erweitern
wollen.
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Zum Inhalt
Kapitel I Liebende und
sinnliche Intelligenz
Das erste Kapitel beginnt profan mit der Frage
nach der Liebe des Menschen. Denn Liebende definieren sich über ihre
sinnliche Intelligenz, die sie für sich und andere aufbringen können. Zu
den aufgezählten Komponenten der menschlichen Liebe zählt hier als
erstes die Zärtlichkeit zwischen Eltern und Kind.
Friedrich II. von
Hohenstaufen (1194-1250) ließ Säuglingen die Zuwendung versagen, um
herauszufinden mit welcher Sprache sie geboren werden. Das ist grausam
und endete mit dem Tod der Kinder. Um zu überleben brauchen Kinder
ausreichend Zuwendung, was im allgemeinen auch mit Zärtlichkeit bezeichnet wird. Die
Liebkosungen der Mutter sind für die körperlich-seelische Entwicklung
von entscheidender Bedeutung.
Als zweites folgt
Zärtlichkeit zwischen erotisch-liebenden Partnern, indem die früh
erlernte Sprache des Tastsinns wieder erfahrbar gemacht wird. Zur Erfahrung
der Zärtlichkeit gehört hiernach die Rückbezüglichkeit, das Spüren
des anderen und von sich selbst. Das sind Kreisprozesse (feed-back) des
Wahrnehmens wie Reschika dies unter Berufung auf Barbara und Lorenz Wachinger formuliert. Nach dem Psychologen Hans Kunz
(1904-1982), der eine Studie
zur Zärtlichkeit verfaßte und dem Philosophen Jürgen von Kempski (1910
-1998) in seinem
"Versuch über die Zärtlichkeit", vollzieht sich ausdrücklich eine
Trennung zwischen Sexualität und Erotik innerhalb der
zwischenmenschlichen Beziehungen. Und schon Wilhelm Busch wußte, man
soll mit Vorsicht zärtlich sein. Bei der Erotik der Herzen erblickt der
Liebende die Kontinuität des Seins in seiner ganzer Fülle, heißt es
weiter.
Zärtlichkeit im
Umgang mit Mensch und Natur beschreibt den Umgang der
Mitmenschen jenseits von Partner- und Elternschaft. Die Vermeidung
körperlicher Berührung ist in den europäischen Zivilisationen - vor
allem in den nördlichen - eine kulturelle Vorschrift, sagt Wolfgang
Schmidbauer im Psychologie-Lexikon unter dem Begriff: Berührungsangst.
Hier stellt sich die Frage, was mögen die Gründe für Berührungsangst und
Zärtlichkeitsmangel heutzutage sein? Reschika antwortet mit dem
Soziologen Norbert Elias (1897-1990) der dies den "Prozess der
Zivilisation" nennt. Doch der Ruf nach Wärme und einer Art "sozialer
Zärtlichkeit" sind nicht unterzukriegen. Friedrich Nietzsche (1844-1900)
spricht in seinem Buch "Menschliches Allzumenschliches" vom "Flaum der
Intimität". Selbst das Verhältnis zum atmenden Pflanzengrün und zum
blauen Planeten sollte ein zärtliches und fürsorgliches sein, fordert
Reschika konsequent. Das Gaia-Prinzip ist hierfür ein interdisziplinärer
Ansatz. Es wurde von dem Amerikaner James Lovelock (geb. 1919)
entwickelt, wonach der Planet über ein eigenes Gehirn verfügt und nicht
mehr nur die Ansammlung unterschiedlicher Organismen ist, die auf der
Erde Platz gefunden haben. Der Beitrag schließt mit einer Reihe weiterer
Überlegungen zu ökologischen Themen, um mehr und mehr zum spirituellen
zu gelangen.
Kapitel II Das
Weiche siegt über das Harte
Hier werden die religiösen
Dimensionen von Zärtlichkeit eröffnet. Beginnend mit Zärtlichkeit als
ethisch-moralischer Wert in den Weltreligionen.
Am Anfang stehen die
indischen und asiatischen Religionen, wie beispielsweise im Bhakti-Yoga.
Darunter wird in Indien der Weg der bedingungslosen Hingabe verstanden.
Bhakti-Yoga findet sich in allen Richtungen des Hinduismus wieder. Der
Weg zu Gott geht nicht über ausgeklügelte Metaphysik oder verwickeltes
Ritual, sondern verläuft nur über das Herz der Hingabe. Der Übergang zu
den christlichen Religionen folgt unabdingbar über die nächsten 45
Seiten hinweg.
Deine
Zärtlichkeit gibt mir Freude und Glück - Das alttestamentliche
Hohelied der Liebe,
erläutert die verschiedenen Auslegungen des Hohelieds in der
Geschichte.
Kapitel III
Weil Gott Liebe ist, ist er zärtlich - die christlich
theologische Dimension von Zärtlichkeit
Das will die
Sanftmütigkeit als Offenbarung von Zärtlichkeit bei Christus genauer
beleuchten. Nimmt Bezug auf Michelangelo Buonarrotti (1475 - 1564)
und sein Fresko in der Sixtinischen Kapelle. Die Erschaffung Adams
hat es dem Autor hierbei besonders angetan.
Selig die Zärtlichen,
denn sie erben das Land - Jesu Verheißung in der Bergpredigt
sowie Jesu zärtlicher Umgang mit Kindern, Frauen, Kranken und
Sündern
und O Maria zärtliche Mutter. Die Mystikerin Marthe Robin
(1902-1981) nimmt als Schwester im Geiste von Thérèse von Liseaux
gerade die Zärtlichkeit von Maria, der Mutter von Jesu von Nazaret
auf. Heinrich Böll (1917-1985) wird angeführt, der im Jahre 1969 die
Trockenheit der Theologie für das Christentum kritisiert. Eine Form
der Theo-Pornologie wird stellenweise gefordert bis hin zur Marien Beschreibung
aus Sicht von C.G. Jungs analytischer Herangehensweise.
Die
zärtlich dienende Maria Magdalena und die Zärtlichkeit bei
den theologischen Vätern beschreibt Origenes (gest. 253/254
n.Chr.) welcher Zärtlichkeit bei Gott angesiedelt sieht auch wenn
diese damals vor den Menschen verborgen werden mußte.
Zärtlichkeit bei den Mystikern und Mystikerinnen erklärt sich
durch ekstatische Tiefenerfahrungen. Mechthild von Magdeburg
(1208-1282/97), Johannes vom Kreuz (1542-1591), Wilhelm
Saint-Thierry (1070/75-1148) oder der schwedische Politiker und
christliche Mystiker Dag Hammarskjöld (1905-1961) werden genannt.
Evokation des Unscheinbaren - Theologie und Theopoesie der
Zärtlichkeit des 20. Jahrhunderts. Bei dem Literaturhistoriker
Walter Jens (geb. 1923) wird die Zärtlichkeit im Sinne von Kurt Marti
(geb. 1921) zur Überwinderin des martialischen Pomps gemacht.
Das Kapitel gibt einen Abriss über Poesie mit theologischem
Inhalt. Dazu gehört schon einiges an Literaturkenntnis, um Beispiele
eingehend aufzählen zu können.
Kapitel IV
Subversion und Exorzismus von Herrschaftsansprüchen. Die
politisch-soziale Dimension von Zärtlichkeit
Dass wir die
Zärtlichkeit nicht gottlos nennen... - Zärtlichkeit zur
Versöhnung von Christentum und Sexualität. Mit diesen Zeilen
setzt ein Gedicht von Heinrich Dieckerhoff (geb. 1953) "Der Segen
der Liebe" ein. Denn im Christentum wurde Jahrhunderte lang
Sexualität und Zärtlichkeit systematisch verdrängt. Darin steckt für
Christen immer noch zuviel Eros und zu wenig Agape, wie es in
Kapitel 4 heißt, was auf der leibfeindlichen Auffassung einer
tradierten theologischen Gegenüberstellung beruht. Wie dies im
übrigen auch der
schweizerische Theologe Karl Barth (1886-1968) beschreibt, wonach christliche Liebe und
erotisches Lieben als Zerrbild gegenübergestellt werden.
Jeder Mensch trägt
etwas vom anderen in sich. Zärtlichkeit zur Integration verdrängter
Weiblichkeit. Hier findet der Psychoanalytiker Wilhelm Reich
(1897 - 1957) Erwähnung, wonach sich innerhalb der Gendertheorie die
Eigenschaften männlich und weiblich mehr oder weniger in jedem
Menschen wiederfinden. Wenn das Weibliche hier nicht zur Geltung
kommt, so die Annahme, dann neigen Männer dazu sich zu verhärten.
Wilhelm Reich sieht hier einen neurotischen Körper mit Neigung zu
Lustfeindlichkeit und Frauenhass.
Dienst statt
Herrschaft - Zärtlichkeit als politischer Protest. Was mag das
eine mit dem anderen zu tun haben? Zärtlichkeit wirkt an-archisch,
was nicht dasselbe wie chaotisch ist, lautet der Kommentar. Hier
wird besonders Bezug genommen auf die lateinamerikanischen
Befreiungsbewegungen, wie deren kirchlichen Väter die Ablehnung
aus Rom erhalten bis hin zum Entzug der Lehrbefugnis. Franz von
Assisi wird für seine Vorbildlichkeit im Dienst der Kirche gesehen, die
Zärtlichkeit in die Wirklichkeit umzusetzen. Zärtlichkeit wird
zunehmend als Grundlage der Politik gefordert. Reschika spricht sich für Heinrich
Böll aus, der es gewesen ist, der Politik einbringen wollte.
Kapitel V
Das A und O der Liebe. Zärtlichkeit als menschliche Grundhaltung,
Beziehungsmodell, Lebens und Glaubensstil gibt eine
Zusammenfassung des bisher beschriebenen. Im Anschluß an das letzte
Kapitel finden sich die nummerierten Anmerkungen aus dem Text
einzeln aufgeführt.
Theologie der Zärtlichkeit
Von der Liebe
Gottes
von Richard Reschika
Vier Türme Verlag,
Münsterschwarzach
1. Auflage 2009
144 Seiten, gebundene Ausgabe
Größe: 19,4 x 12,2 x 1,8 cm
Gewicht: 250g
ISBN-10: 3896804146
ISBN-13: 978-3896804143 |