Abhandlung zum Thema Zärtlichkeit

 

Theologie der Zärtlichkeit. Von der Liebe Gottes (2009)

Ein Buch von Richard Reschika aus dem Vier Türme Verlag
 

Es gibt einen eigenständigen in sich geschlossenen Phänomenkomplex, Zärtlichkeit genannt. Zunächst ist damit ein körperliches den Tastsinn betreffendes Geschehen gemeint. Doch schnell wird daraus eine übergreifende Abhandlung, zusammengestellt aus den unterschiedlichsten Bereichen der Lebenswirklichkeit. Eine Art Kaleidoskop das sich auch der Religionen in der Welt annimmt und sogar die Frage nach einer Theologie der Zärtlichkeit postuliert. Reschikas Monographie aus dem Vier Türme Verlag gleicht bei der Bewältigung eines Themas der mittelalterlichen Traktatliteratur, wie sie schon bei den Humanisten während der Renaissance üblich war. Das betrifft auch das schlanke Buchformat und die mehrteilig gestaltete Gliederung der Kapitel.

 Buchumschlag: Vier Türme Verlag  

Ganz abgesehen von seiner äußerlichen Aufmachung und seiner fünf Kapitel, vermittelt das Buch ein fundiertes Wissen, das sich in seiner Fülle durchaus mit den Quellen der Humanisten vergleichen läßt. Nicht nur die zahlreichen Belege, die bis auf Augustinus und zeitlich noch weiter zurückreichen, sondern auch die Erwähnung zeitgenössischer Autoren verschiedenster Gattungen bereichern den Text auf das Vielfältigste. Doch was ist Zärtlichkeit eigentlich? Eine erste abwehrende Antwort der Selbstbetroffenheit des Autors hierauf lautet: "Ich weiß es nicht". Um sogleich überzuleiten, er wisse nur nicht was Zärtlichkeit sei, wenn er danach gefragt würde, sonst wisse er schon was gemeint ist.

 

Die fünf Kapitel im Buch haben jeweils einen Schwerpunkt, der sich immer nur einer ausgesuchten Fragestellung widmet. Die gebundene Ausgabe umfaßt 144 Seiten. Auf dem Schutzumschlag sind Foto und eine Kurzbiographie des Verfassers wiedergegeben. Die Zielgruppe für die das Buch geschrieben wurde, dürfte eher bei jungen Frauen liegen, die über eigenen Horizont verfügen und diesen aus weltanschaulicher Sicht erweitern wollen.

 

Zum Inhalt

 

Kapitel I   Liebende und sinnliche Intelligenz

Das erste Kapitel beginnt profan mit der Frage nach der Liebe des Menschen. Denn Liebende definieren sich über ihre sinnliche Intelligenz, die sie für sich und andere aufbringen können. Zu den aufgezählten Komponenten der menschlichen Liebe zählt hier als erstes die Zärtlichkeit zwischen Eltern und Kind.

 

Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250) ließ Säuglingen die Zuwendung versagen, um herauszufinden mit welcher Sprache sie geboren werden. Das ist grausam und endete mit dem Tod der Kinder. Um zu überleben brauchen Kinder ausreichend Zuwendung, was im allgemeinen auch mit Zärtlichkeit bezeichnet wird. Die Liebkosungen der Mutter sind für die körperlich-seelische Entwicklung von entscheidender Bedeutung.

 

Als zweites folgt Zärtlichkeit zwischen erotisch-liebenden Partnern, indem die früh erlernte Sprache des Tastsinns wieder erfahrbar gemacht wird. Zur Erfahrung der Zärtlichkeit gehört hiernach die Rückbezüglichkeit, das Spüren des anderen und von sich selbst. Das sind Kreisprozesse (feed-back) des Wahrnehmens wie Reschika dies unter Berufung auf Barbara und Lorenz Wachinger formuliert. Nach dem Psychologen Hans Kunz (1904-1982), der eine Studie zur Zärtlichkeit verfaßte und dem Philosophen Jürgen von Kempski (1910 -1998) in seinem "Versuch über die Zärtlichkeit", vollzieht sich ausdrücklich eine Trennung zwischen Sexualität und Erotik innerhalb der zwischenmenschlichen Beziehungen. Und schon Wilhelm Busch wußte, man soll mit Vorsicht zärtlich sein. Bei der Erotik der Herzen erblickt der Liebende die Kontinuität des Seins in seiner ganzer Fülle, heißt es weiter.

 

Zärtlichkeit im Umgang mit Mensch und Natur beschreibt den Umgang der Mitmenschen jenseits von Partner- und Elternschaft. Die Vermeidung körperlicher Berührung ist in den europäischen Zivilisationen - vor allem in den nördlichen - eine kulturelle Vorschrift, sagt Wolfgang Schmidbauer im Psychologie-Lexikon unter dem Begriff: Berührungsangst. Hier stellt sich die Frage, was mögen die Gründe für Berührungsangst und Zärtlichkeitsmangel heutzutage sein? Reschika antwortet mit dem Soziologen Norbert Elias (1897-1990) der dies den "Prozess der Zivilisation" nennt. Doch der Ruf nach Wärme und einer Art "sozialer Zärtlichkeit" sind nicht unterzukriegen. Friedrich Nietzsche (1844-1900) spricht in seinem Buch "Menschliches Allzumenschliches" vom "Flaum der Intimität". Selbst das Verhältnis zum atmenden Pflanzengrün und zum blauen Planeten sollte ein zärtliches und fürsorgliches sein, fordert Reschika konsequent. Das Gaia-Prinzip ist hierfür ein interdisziplinärer Ansatz. Es wurde von dem Amerikaner James Lovelock (geb. 1919) entwickelt, wonach der Planet über ein eigenes Gehirn verfügt und nicht mehr nur die Ansammlung unterschiedlicher Organismen ist, die auf der Erde Platz gefunden haben. Der Beitrag schließt mit einer Reihe weiterer Überlegungen zu ökologischen Themen, um mehr und mehr zum spirituellen zu gelangen.

 

 

Kapitel II   Das Weiche siegt über das Harte

Hier werden die religiösen Dimensionen von Zärtlichkeit eröffnet. Beginnend mit Zärtlichkeit als ethisch-moralischer Wert in den Weltreligionen.

 

Am Anfang stehen die indischen und asiatischen Religionen, wie beispielsweise im Bhakti-Yoga. Darunter wird in Indien der Weg der bedingungslosen Hingabe verstanden. Bhakti-Yoga findet sich in allen Richtungen des Hinduismus wieder. Der Weg zu Gott geht nicht über ausgeklügelte Metaphysik oder verwickeltes Ritual, sondern verläuft nur über das Herz der Hingabe. Der Übergang zu den christlichen Religionen folgt unabdingbar über die nächsten 45 Seiten hinweg.

 

Deine Zärtlichkeit gibt mir Freude und Glück - Das alttestamentliche Hohelied der Liebe, erläutert die verschiedenen Auslegungen des Hohelieds in der Geschichte.

 

 

Kapitel III    Weil Gott Liebe ist, ist er zärtlich - die christlich theologische Dimension von Zärtlichkeit

Das will die Sanftmütigkeit als Offenbarung von Zärtlichkeit bei Christus genauer beleuchten. Nimmt Bezug auf Michelangelo Buonarrotti (1475 - 1564) und sein Fresko in der Sixtinischen Kapelle. Die Erschaffung Adams hat es dem Autor hierbei besonders angetan.

 

Selig die Zärtlichen, denn sie erben das Land - Jesu Verheißung in der Bergpredigt sowie Jesu zärtlicher Umgang mit Kindern, Frauen, Kranken und Sündern und O Maria zärtliche Mutter. Die Mystikerin Marthe Robin (1902-1981) nimmt als Schwester im Geiste von Thérèse von Liseaux gerade die Zärtlichkeit von Maria, der Mutter von Jesu von Nazaret auf. Heinrich Böll (1917-1985) wird angeführt, der im Jahre 1969 die Trockenheit der Theologie für das Christentum kritisiert. Eine Form der Theo-Pornologie wird stellenweise gefordert bis hin zur Marien Beschreibung aus Sicht von C.G. Jungs analytischer Herangehensweise.

 

Die zärtlich dienende Maria Magdalena und die Zärtlichkeit bei den theologischen Vätern beschreibt Origenes (gest. 253/254 n.Chr.) welcher Zärtlichkeit bei Gott angesiedelt sieht auch wenn diese damals vor den Menschen verborgen werden mußte. Zärtlichkeit bei den Mystikern und Mystikerinnen erklärt sich durch ekstatische Tiefenerfahrungen. Mechthild von Magdeburg (1208-1282/97), Johannes vom Kreuz (1542-1591), Wilhelm Saint-Thierry (1070/75-1148) oder der schwedische Politiker und christliche Mystiker Dag Hammarskjöld (1905-1961) werden genannt.

 

Evokation des Unscheinbaren - Theologie und Theopoesie der Zärtlichkeit des 20. Jahrhunderts. Bei dem Literaturhistoriker Walter Jens (geb. 1923) wird die Zärtlichkeit im Sinne von Kurt Marti (geb. 1921) zur Überwinderin des martialischen Pomps gemacht. Das Kapitel gibt einen Abriss über Poesie mit theologischem Inhalt. Dazu gehört schon einiges an Literaturkenntnis, um Beispiele eingehend aufzählen zu können.

 

 

Kapitel IV    Subversion und Exorzismus von Herrschaftsansprüchen. Die politisch-soziale Dimension von Zärtlichkeit

Dass wir die Zärtlichkeit nicht gottlos nennen...  -  Zärtlichkeit zur Versöhnung von Christentum und Sexualität. Mit diesen Zeilen setzt ein Gedicht von Heinrich Dieckerhoff (geb. 1953) "Der Segen der Liebe" ein. Denn im Christentum wurde Jahrhunderte lang Sexualität und Zärtlichkeit systematisch verdrängt. Darin steckt für Christen immer noch zuviel Eros und zu wenig Agape, wie es in Kapitel 4 heißt, was auf der leibfeindlichen Auffassung einer tradierten theologischen Gegenüberstellung beruht. Wie dies im übrigen auch der schweizerische Theologe Karl Barth (1886-1968) beschreibt, wonach christliche Liebe und erotisches Lieben als Zerrbild gegenübergestellt werden.

 

Jeder Mensch trägt etwas vom anderen in sich. Zärtlichkeit zur Integration verdrängter Weiblichkeit. Hier findet der Psychoanalytiker Wilhelm Reich (1897 - 1957) Erwähnung, wonach sich innerhalb der Gendertheorie die Eigenschaften männlich und weiblich mehr oder weniger in jedem Menschen wiederfinden. Wenn das Weibliche hier nicht zur Geltung kommt, so die Annahme, dann neigen Männer dazu sich zu verhärten. Wilhelm Reich sieht hier einen neurotischen Körper mit Neigung zu Lustfeindlichkeit und Frauenhass.

 

Dienst statt Herrschaft - Zärtlichkeit als politischer Protest. Was mag das eine mit dem anderen zu tun haben? Zärtlichkeit wirkt an-archisch, was nicht dasselbe wie chaotisch ist, lautet der Kommentar. Hier wird besonders Bezug genommen auf die lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen, wie deren kirchlichen Väter die Ablehnung aus Rom erhalten bis hin zum Entzug der Lehrbefugnis. Franz von Assisi wird für seine Vorbildlichkeit im Dienst der Kirche gesehen, die Zärtlichkeit in die Wirklichkeit umzusetzen. Zärtlichkeit wird zunehmend als Grundlage der Politik gefordert. Reschika spricht sich für Heinrich Böll aus, der es gewesen ist, der Politik einbringen wollte.

 

Kapitel V    Das A und O der Liebe. Zärtlichkeit als menschliche Grundhaltung, Beziehungsmodell, Lebens und Glaubensstil gibt eine Zusammenfassung des bisher beschriebenen. Im Anschluß an das letzte Kapitel finden sich die nummerierten Anmerkungen aus dem Text einzeln aufgeführt.

 

 

Theologie der Zärtlichkeit

Von der Liebe Gottes

von Richard Reschika

Vier Türme Verlag, Münsterschwarzach

1. Auflage 2009

144 Seiten, gebundene Ausgabe

Größe: 19,4 x 12,2 x 1,8 cm

Gewicht:  250g

ISBN-10: 3896804146
ISBN-13: 978-3896804143

 

 

Titelseite

vom 16. Oktober 2009