Die
ältesten Artefakte sind geritzte Knochen in Plakettenform oder als
Stäbe. Diese können aus Horn oder Elfenbein sein und stammen aus einer
Zeit vor etwa 35.000 bis 40.000 Jahren. Das ist eine Feststellung, die
der Autor des Buches "Spurensuche" trifft. Objekte hatten zuerst
symbolischen Charakter, dabei ging es nicht um eine naturalistische
Darstellung.
Ur-Kunst, das heißt die gestalterischen Anfänge, so Hebeisen weiter,
sind ausschließlich als optische und bildnerische Zeichen erhalten
geblieben. Diese Zeichenwahrnehmung und die Objekte stehen im
Mittelpunkt des Buches, das schön bebildert ist und damit einmal mehr
zur Besinnung aufrufen will.
Im nächsten darauf
aufbauenden Absatz ist die Rede von der prägenden Kraft der Zeichen.
Dabei geht es weniger um Zeichensprache als vielmehr um Zeichensetzung
oder -gebung. Von der Spur zum Bild und zur Magie beschreibt die
Unterschiede, wenn dies auch der Kürze halber innerhalb von Rubriken
geschieht. Die ausgewählten Bildbeispiele stammen aus einer Region
in Südwestfrankreich, den Cevennen und Felsgravierungen aus der Region
des Mont Bégo. Aber auch andere Orte kommen vor. Die abgeschiedene
Bergwelt hat es dem Autor dabei besonders angetan. Verknüpft mit den
Fundorten zählen ausgedehnte Bergwanderungen, die durch Schluchten
verlaufen und oftmals der einzige Weg sind, um den unwegsamen Zugang zu versteckten
Fundorten in 2000 Meter Höhe zu erhalten.
Bei den vorgefundenen
Gravierungen handelt es sich dann meistens um Zeichen wie Stierkopf oder
Waffen wie Dolch und Hellebarden, aber auch geometrische Formen wie
Gitter und Kreise sowie freie Tierformen und menschliche Figuren. Diese
Motive sind gleichmäßig handflächengroß.
Interessant wird es bei
der Frage, was richtiges Sehen ist, um damit die Teilnahme an der Welt
zu haben. Welches Zusammenspiel der Sinne notwendig ist. Die Summe der
grafischen Elemente, die sich aus dem optischen Wahrnehmungsbild und
seiner Orientierung im Raum ergeben haben. Es geht um Marken in der
Natur. Aber auch das Erkennen von Nuancen ist gefragt. Mit den Augen
Wandern und visuellen Kontakt zur Umgebung herstellen.
Hier beginnen Gedanken
zur Forschung zu werden. Denn was angedeutet
wird, hat eine bewußtseinserweiternde Wirkung auf den Leser. Was nicht
ideologisch gedeutet werden sollte, sondern zur Wachsamkeit führt und
den gesunden Menschenverstand anmahnt, was in der zerklüfteten Bergwelt
ohnehin immer der Fall sein sollte. Hebeisen fordert vom
Zuschauer zum Gestalter zu werden. Der Leser sollte sich also nicht
passiv auf Lektüre einstellen, sondern durch aktives Mitgestalten zum
Handelnden verändern.
Recht spannend ist eine
Beschreibung der Werkzeuge. Am Beispiel des Faustkeils, den es bereits
beim Homo errectus vor 2 Millionen Jahren gab und davon über
nahezu 2 Millionen Jahre hinweg das einzige Werkzeug blieb, das vom
Menschen genutzt wurde. Der Autor hebt hier das Proportionsgefühl am
Beispiel des Faustkeils hervor. Diese Geräte sind in ihrer Grundform
keilförmig, symmetrisch und haben eine lange Mittelachse, die in einer
Spitze zusammentreffen. Faustkeile weisen unabhängig von ihrer Größe die
gleichen Proportionen auf, wozu im Diagramm der Verlauf einer Korrelation
die Abweichungen von der Norm beschreibt, die allem Anschein nach nur
geringfügige Abweichungen enthält. Das heißt, Faustkeile sehen in ihren Proportionen fast immer gleich aus.
Er entdeckt, wie Menschen die
unerklärlichen kosmischen Zeichen für sich zu interpretieren versuchen.
Dazu gehören Vorstellungen von einer belebten surrealen Welt. Die
unerklärlichen Zeichen haben das Auftreten der Kunst erst möglich
gemacht, lautet die Behauptung, kraft Magie und der Zeichen. Die Kunst
erscheint erstmals mit dem Homo sapiens, führt Hebeisen aus
und sieht den motorischen Kern in den archaischen Zeichenfolgen
alter Steingravuren. Bis zur Kunst in den Höhlen ist es aber noch weit.
Zuerst steht die eigentliche Bildwerdung bevor. Die Kunst der
Vorstellung ist Vermittler zwischen Diesseits und Jenseits. Immer wieder
kommt die Rede auf den so genannten Goldenen Schnitt, nicht nur bei den
Faustkeilen, sondern auch bei den meisten anderen Darstellungen, was eine
ausgesprochen anthropomorphe Sichtweise andeutet.
Gestaltungskonstanten in der
Gegenwart werden erkannt, indem geschichtete Steinplatten auch heute
eine bewährte Bauweise sind, um Einraumhäuser mit Kragkuppel und einem
Sturz aus Stein über der Eingangsöffnung aufzustellen. Diese
Übereinstimmungen der archaischen Bauweise läßt sich nach Ansicht
Hebeisens weltweit einheitlich beobachten.
Schließlich wird ein Schritt in die
Moderne gezogen, was einmal mehr beweist, wie sehr der Autor am aktiven
Mitarbeiten durch Zuschauer und Leser an den Werten seines Buches gelegen ist.
Spurensuche
nach dem Ursprung der Kunst
von Kurt Beat Hebeisen
Haupt Verlag, Bern
1. Auflage (März 2009)
208 Seiten, gebundene Ausgabe
Größe: 26,4 x 24 x 2 cm
Gewicht: 1125g
ISBN-10: 3258074356
ISBN-13: 978-3258074351 |