Eigentlich
ist der Roman von Agualusa doch eine gute Erfindung, der einmal
für sich gesehen dazu geeignet ist in einem Zuge durchgelesen zu werden.
Es geht nicht um schwere Kost, sondern um Verständigung oder vielleicht
ein wenig um Unterhaltung, die durchaus ihren Sinn hat. Zwischen
Humoreske und Sittenbild ist der Roman "Das Lachen des Geckos" in
einem afrikanischen Land mitten in Angola angesiedelt. Das Land ist
portugiesischsprachig. In den portugiesischsprachigen Ländern geht
ganz nebenbei gerade eine umfassende Rechtschreibreform vor sich. Die Handlung des
Romans verspricht jedem eine neue Lebensgeschichte. So kann aus weißen
Geschäftsleuten, die ihren Berufstand in Angola ernst nehmen wollen, in
einem schwarzafrikanischen Land, durchaus eine Person mit farbigen
Vorfahren werden. Obwohl das in Wirklichkeit nicht stimmen mag. Félix
Ventura erfindet Lebensgeschichten, die er verkauft und mit den
notwendigen Hintergründen ausstattet. Diesbezüglich können sich seine
Kunden über Gräber auf dem Friedhof freuen, die zu den eignen Vorfahren zählen,
weil dort auf den Grabsteinen Inschriften stehen, die zu den jeweiligen
Papieren passen. Wenn das von vornherein nicht so absurd und komisch
wäre, dann wäre es nachdenklich. Aber die leichte Art der Beschreibung
ermöglicht einen etwas pfiffigen Zugang zur Geschichte. Wie im
Dekorationsladen, wo sich für jeden oder jede ein passendes Ambiente
findet, schneidert Félix Ventura eine passende Identität auf das
gewünschte Profil des Bewerbers. Das Unbeschreibliche bekommt auf
leichte und kurzweilige Art ein Gesicht. Vielleicht erinnert die Art der
Erzählung an den Film "Casablanca" (1942), wo es um
Auslandsvisa geht. Wer über sie verfügt, ist frei und kann sich wann und
wohin bewegen, wohin er will. Das ist nicht mehr und nicht weniger ein gesellschaftlicher Akt zur besseren Darstellung der eignen
Performanz. So werden
Begebenheiten um Félix Ventura beschrieben, aufgeschrieben in Traumverläufen, die das Geschehen
weiter fließen lassen. Keine aufwendigen Reibereien tauchen auf, kein
kriminalistischer Spürsinn ist gefragt und kein Film "noir" hält Einzug.
Nur das Fiktive daran verursacht, daß Protagonisten und ihre Handlungen
immer an der luftigen Oberfläche bleiben ohne ins abgründig Tiefe
abzurutschen. Diese Eigenschaft im Schreibstil Agualusas ist
nicht schädlich, schließlich gibt es einen Glücksbringer oder wie sollte
man das Tier nennen, das wie ein Seelenhüter die Handlung, den Roman
behütet: Ein Gecko, der Lachen kann! Es handelt sich um ein Tier, das
ungewöhnlich laute Geräusche erzeugt. Ein Geräusch das im menschlichen
Ohr wie Lachen klingt. Und dieser Gecko lebt mit im Haus von Félix
Ventura nicht als Gefangener im Käfig sondern als lebendes Tier.
Wie
Agualusa dazu erklärt, ist der Erzähler des Buches ein Gecko.
Erzählt wird aus den Träumen des Tieres. Diese Traumverläufe sind
nummeriert. Eines Tages schreibt der Protagonist Visitenkarten für einen
Herrn, daraus spinnt sich der weitere Verlauf - schreiben sie ihren
Kindern doch eine bessere Vergangenheit! Verraten Sie mir doch wer ihre
Kinder sind - ist eine neue Bourgeoisie aufgrund von Ersatzstammbäumen
möglich? Es regnet auf die Kindheit, wie Félix Ventura sagt. Es fällt
Regen auf die Kindheit, heißt ein Kapitel im Buch.
Im Wald hat der Autor tatsächlich einmal einen Gecko entdeckt, der
lachen konnte. Ein Wissenschaftler bestätigt, es gibt Geckos die das
können. Es gibt sogar welche, die singen. Der Roman ist eine Hommage an
den Schriftsteller Jorge Luis Borges. In der amerikanischen
Ausgabe des Buches ist ein Interview abgedruckt, in der diese Meinung
bestätigt wird. Der Gecko wäre dann im wesentlichen mit Borges zu
identifizieren. Ein Zitat des Argentiniers ist dem Buch vorangestellt.
Auch der Portugiese José Maria Eça de Queiroz habe Roman und
Autor beeinflußt. Vor allem dessen Ironie versucht Agualusa zu
reproduzieren. Zudem wird der Roman in Brasilien gerade als Film
produziert. Ironischerweise bekam der Autor tatsächlich Anfragen
Biografien zu schreiben, was er aber ablehnte. Und ironischerweise kommt im
Roman ein Albino vor, der als Ausdruck für die gesellschaftliche
Minderheit der Weißen in Angola steht.
Naturbeschreibungen füllen den Inhalt des Buches. Es geht um Schmetterlinge,
Heuschrecken und Ameisen. Es ist eine Reise von Ruanda bis nach
Lissabon. Hühner kommen den Engeln am nächsten, lautet eine
Bemerkung. Einen Himmel ohne Hühner kann sich der Erzähler nicht vorstellen. Das ist dann wie sich mit Magnolien über Philosophie
unterhalten.
José Eduardo Agualusa sagt, die Beschäftigung mit Erinnerung
ist ein universelles Thema. Die Brüchigkeit der Erinnerungen ist ein
Gebiet, das überall funktioniert. Universell deshalb, weil es für die
Konstruktion von Identitäten steht.
Michael Kegler ist der Übersetzer Agualusas aus dem A1 Verlag.
Beide, Autor und Übersetzer befinden sich auf Tournee durch Deutschland
und waren schon in Städten wie Leipzig, Hamburg und Berlin zu
Leseabenden unterwegs. Agualusa wurde 1960 in Angola geboren,
lebte lange in Lissabon und in Rio de Janeiro und hat
zeitweise Agrarwissenschaften studiert. 1989 erschien sein erster Roman
Coraçao dos bosques.
Der Autor ist glücklich darüber, daß er mit dem A1 Verlag einen Verleger in Deutschland
finden konnte. Die Versand-Buchhandlung TFM in Frankfurt, in der die
Lesung hier am 22. Mai 2009 stattfand, ist legendär in Portugal und im
portugiesischsprachigen Raum, meint nicht nur der Autor.
Auf die Frage aus dem Publikum, was er von der
Rechtschreibreform halte, so befürwortet er diese. Damit soll das Erlernen
der Sprache erleichtert werden, um gegen den Analphabetismus anzugehen.
Es sollen auch Lehrer aus dem ganzen portugiesischsprachigen Raum nach
Angola geholt werden. Es gibt ein Rennen auf das angolanische
Land, sagt der Autor. Vermögende Brasilianer erwerben Grund und Boden in
Angola und wissen oftmals nicht in welcher rechtlichen Lage sie mit dem
Besitz eigentlich sind. Die Einwanderung von Afrikanern wird dagegen
unterdrückt. Generäle haben das Land in Beschlag genommen. Das
verfügbare Wasser und Trinkwasser wird streng reguliert. Die Täter sind
die Angolaner selbst - die gute Nachricht ist, der Krieg ist vorbei,
jetzt muß die Demokratisierung beginnen! Das Lachen des Geckos
von José Eduardo Agualusa
Roman
im A1 Verlag, München
1. Auflage, August 2008
172 Seiten, gebundene Ausgabe
Größe: 20,8 x 13,4 x 2 cm
Gewicht 262g
ISBN-10: 3940666041
ISBN-13: 978-3940666048 |