Das Lachen des Geckos (2008) im A1 Verlag aus dem Portugiesischen von José Eduardo Agualusa

Amüsanter Roman um eine Reihe erfundener Lebensgeschichten

 

Buchrezension und Lesung mit dem Autor José Eduardo Agualusa und seinem Übersetzer aus dem A1 Verlag, Michael Kegler, am Abend des 22. Mai 2009 um 20 Uhr, zusammen im Bild mit Buchhändler Teo in der TFM Versandbuchhandlung in Frankfurt.

Buchumschlag: A1 Verlag

Eigentlich ist der Roman von Agualusa doch eine gute Erfindung, der einmal für sich gesehen dazu geeignet ist in einem Zuge durchgelesen zu werden. Es geht nicht um schwere Kost, sondern um Verständigung oder vielleicht ein wenig um Unterhaltung, die durchaus ihren Sinn hat. Zwischen Humoreske und Sittenbild ist der Roman "Das Lachen des Geckos" in einem afrikanischen Land mitten in Angola angesiedelt. Das Land ist portugiesischsprachig. In den portugiesischsprachigen Ländern geht ganz nebenbei gerade eine umfassende Rechtschreibreform vor sich. Die Handlung des Romans verspricht jedem eine neue Lebensgeschichte. So kann aus weißen Geschäftsleuten, die ihren Berufstand in Angola ernst nehmen wollen, in einem schwarzafrikanischen Land, durchaus eine Person mit farbigen Vorfahren werden. Obwohl das in Wirklichkeit nicht stimmen mag. Félix Ventura erfindet Lebensgeschichten, die er verkauft und mit den notwendigen Hintergründen ausstattet. Diesbezüglich können sich seine Kunden über Gräber auf dem Friedhof freuen, die zu den eignen Vorfahren zählen, weil dort auf den Grabsteinen Inschriften stehen, die zu den jeweiligen Papieren passen.

Wenn das von vornherein nicht so absurd und komisch wäre, dann wäre es nachdenklich. Aber die leichte Art der Beschreibung ermöglicht einen etwas pfiffigen Zugang zur Geschichte. Wie im Dekorationsladen, wo sich für jeden oder jede ein passendes Ambiente findet, schneidert Félix Ventura eine passende Identität auf das gewünschte Profil des Bewerbers. Das Unbeschreibliche bekommt auf leichte und kurzweilige Art ein Gesicht. Vielleicht erinnert die Art der Erzählung an den Film "Casablanca" (1942), wo es um Auslandsvisa geht. Wer über sie verfügt, ist frei und kann sich wann und wohin bewegen, wohin er will. Das ist nicht mehr und nicht weniger ein gesellschaftlicher Akt zur besseren Darstellung der eignen Performanz. So werden Begebenheiten um Félix Ventura beschrieben, aufgeschrieben in Traumverläufen, die das Geschehen weiter fließen lassen. Keine aufwendigen Reibereien tauchen auf, kein kriminalistischer Spürsinn ist gefragt und kein Film "noir" hält Einzug. Nur das Fiktive daran verursacht, daß Protagonisten und ihre Handlungen immer an der luftigen Oberfläche bleiben ohne ins abgründig Tiefe abzurutschen. Diese Eigenschaft im Schreibstil Agualusas ist nicht schädlich, schließlich gibt es einen Glücksbringer oder wie sollte man das Tier nennen, das wie ein Seelenhüter die Handlung, den Roman behütet: Ein Gecko, der Lachen kann! Es handelt sich um ein Tier, das ungewöhnlich laute Geräusche erzeugt. Ein Geräusch das im menschlichen Ohr wie Lachen klingt. Und dieser Gecko lebt mit im Haus von Félix Ventura nicht als Gefangener im Käfig sondern als lebendes Tier.

Wie Agualusa dazu erklärt, ist der Erzähler des Buches ein Gecko. Erzählt wird aus den Träumen des Tieres. Diese Traumverläufe sind nummeriert. Eines Tages schreibt der Protagonist Visitenkarten für einen Herrn, daraus spinnt sich der weitere Verlauf - schreiben sie ihren Kindern doch eine bessere Vergangenheit! Verraten Sie mir doch wer ihre Kinder sind - ist eine neue Bourgeoisie aufgrund von Ersatzstammbäumen möglich? Es regnet auf die Kindheit, wie Félix Ventura sagt. Es fällt Regen auf die Kindheit, heißt ein Kapitel im Buch.

Im Wald hat der Autor tatsächlich einmal einen Gecko entdeckt, der lachen konnte. Ein Wissenschaftler bestätigt, es gibt Geckos die das können. Es gibt sogar welche, die singen. Der Roman ist eine Hommage an den Schriftsteller Jorge Luis Borges. In der amerikanischen Ausgabe des Buches ist ein Interview abgedruckt, in der diese Meinung bestätigt wird. Der Gecko wäre dann im wesentlichen mit Borges zu identifizieren. Ein Zitat des Argentiniers ist dem Buch vorangestellt.

Auch der Portugiese José Maria Eça de Queiroz habe Roman und Autor beeinflußt. Vor allem dessen Ironie versucht Agualusa zu reproduzieren. Zudem wird der Roman in Brasilien gerade als Film produziert. Ironischerweise bekam der Autor tatsächlich Anfragen Biografien zu schreiben, was er aber ablehnte. Und ironischerweise kommt im Roman ein Albino vor, der als Ausdruck für die gesellschaftliche Minderheit der Weißen in Angola steht.

Naturbeschreibungen füllen den Inhalt des Buches. Es geht um Schmetterlinge, Heuschrecken und Ameisen. Es ist eine Reise von Ruanda bis nach Lissabon. Hühner kommen den Engeln am nächsten, lautet eine Bemerkung. Einen Himmel ohne Hühner kann sich der Erzähler nicht vorstellen. Das ist dann wie sich mit Magnolien über Philosophie unterhalten.

José Eduardo Agualusa sagt, die Beschäftigung mit Erinnerung ist ein universelles Thema. Die Brüchigkeit der Erinnerungen ist ein Gebiet, das überall funktioniert. Universell deshalb, weil es für die Konstruktion von Identitäten steht.

Michael Kegler ist der Übersetzer Agualusas aus dem A1 Verlag. Beide, Autor und Übersetzer befinden sich auf Tournee durch Deutschland und waren schon in Städten wie Leipzig, Hamburg und Berlin zu Leseabenden unterwegs. Agualusa wurde 1960 in Angola geboren, lebte lange in Lissabon und in Rio de Janeiro und hat zeitweise Agrarwissenschaften studiert. 1989 erschien sein erster Roman Coraçao dos bosques. Der Autor ist glücklich darüber, daß er mit dem A1 Verlag einen Verleger in Deutschland finden konnte. Die Versand-Buchhandlung TFM in Frankfurt, in der die Lesung hier am 22. Mai 2009 stattfand, ist legendär in Portugal und im portugiesischsprachigen Raum, meint nicht nur der Autor.

Auf die Frage aus dem Publikum, was er von der Rechtschreibreform halte, so befürwortet er diese. Damit soll das Erlernen der Sprache erleichtert werden, um gegen den Analphabetismus anzugehen. Es sollen auch Lehrer aus dem ganzen portugiesischsprachigen Raum nach Angola geholt werden.

Es gibt ein Rennen auf das angolanische Land, sagt der Autor. Vermögende Brasilianer erwerben Grund und Boden in Angola und wissen oftmals nicht in welcher rechtlichen Lage sie mit dem Besitz eigentlich sind. Die Einwanderung von Afrikanern wird dagegen unterdrückt. Generäle haben das Land in Beschlag genommen. Das verfügbare Wasser und Trinkwasser wird streng reguliert. Die Täter sind die Angolaner selbst - die gute Nachricht ist, der Krieg ist vorbei, jetzt muß die Demokratisierung beginnen!

Das Lachen des Geckos
von José Eduardo Agualusa
Roman
im A1 Verlag, München
1. Auflage, August 2008
172 Seiten, gebundene Ausgabe
Größe: 20,8 x 13,4 x 2 cm
Gewicht 262g
ISBN-10: 3940666041
ISBN-13: 978-3940666048

 

Titelseite

vom  08. Juli 2009