Die
Ziele der Studie sind handlungsorientiert. Die Erkenntnisse sollen
dazu dienen, der scheinbar ungezügelten städtischen Expansion und
vielfach anzutreffender Ortlosigkeit wenigstens in Teilbereichen
kompetent zu begegnen.
Auf Grundlage der Studie
soll ein Forschungsvorhaben entstehen, das am Fallbeispiel
Rhein-Main Gebiet erprobte Methoden auf zwei bis drei weitere
Agglomerationsräume ausweitet.
Bezeichnet wird die Region
durch eine immer stärker werdende internationale Verflechtung mit
gleichzeitiger Anonymisierung der Lebensräume in den verschiedenen
Ländern und Kulturkreisen, wobei immer wieder dazwischen liegende
Orte und Zonen mit einer historisch und soziokulturell bedingten
Bedeutung auftreten. Es ist aber gerade die mobil und global
agierende Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, die auf eine lokale
Integration ihrer Kulturkreise nicht verzichten kann.
Die Veröffentlichung des
Bandes von Thorsten Bürklin und Michael Peterek wurde mit Mitteln
der Fachhochschule Frankfurt finanziert. Der Druck wurde durch den
Planungsverband Ballungsraum Frankfurt ermöglicht. Erschienen ist
der Band in der Wissenschaftlichen Buchreihe „Stadt und Raum im
globalen Kontext“ / Band 1 – herausgegeben von Thorsten Bürklin,
Kosta Mathey und Michael Peterek. Die Ausgabe ist mit
zahlreichen Schwarzweißfotos bebildert und stellt anhand zahlreicher Struktur-
und Lagepläne den Bezug zur Hypothese der Autoren her. Hier ist eine Studie
gelungen, um den Ballungsraum Rhein-Main in seinen räumlichen,
funktionalen und organisatorischen Zusammenhängen zu beschreiben. Auffällig ist
der Konflikt zwischen einer historisch gewachsenen Lokalität und den
Zentren, die aufgrund internationaler Verflechtung durch Expansion
nach außen hin entstehen mußten.
Zentren außerhalb der
Zentren dokumentiert ein Gebilde, das sich, ausgehend vom
Rhein-Main-Gebiet, sternförmig bis nach Aschaffenburg erstreckt.
Wesentlicher Faktor ist dabei die Mainlinie, die mehrere größere
Städte um sich versammelt. An den Eckpunkten der sternförmigen
Struktur befinden sich Zentren. Diese sind soweit erschlossen.
Beispielsweise bei Rodgau aber fehlt ein solcher künstlich
geschaffener Mittelpunkt, um eine geschlossenes Strukturbild zur
Hypothese zu erhalten. Warum das so ist, dafür gibt es im Moment
keine Erklärung. Allerdings ist es schwierig die alten
Stadtgrenzen aufzubrechen, was durchaus einen Sinn haben kann. Die
Zähigkeit dieser Vorgänge bereitet den Bauplanern und Entwicklern
Kopfzerbrechen, ist aber andererseits ein großes Glück, wenn es
darum geht gewachsene Strukturen zu erhalten.
Dieser Ballungsraum wird
in der vorliegenden Untersuchung als ein urbanes System, als eine
„Stadt“ gesehen. Diese veränderte Lesart der Stadtregion als
mehrschichtiges „Netz“ mit unterschiedlichen Knoten eröffnet neue
Einsichten für ein Verständnis der regionalen Lebenswirklichkeit.
Dabei werden neue Wohngebiete im Ballungsraum meist an die
historischen Orte angelagert, finden sich dazwischen zunehmend
alltagsrelevante Standorte für Arbeit, Versorgung und Freizeit. Sie
sind insbesondere durch die Erreichbarkeit mit dem Auto bestimmt.
Die von den Verfassern entwickelte Typologie der Stätten des Konsums
umfaßt die Shopping Malls am Autobahnkreuz, die Versuche den
Einzelhandel auf der grünen Wiese anzusiedeln und die neuen
Stadtzentren.
Ein besonders frühes
Beispiel für eine Shopping Mall nach amerikanischem Vorbild ist das
Main-Taunus-Zentrum, das bereits 1964 wie eine Saloon-Stadt
konzipiert, auf der rechts und links der Straße lauter Läden
aneinandergereiht stehen und zum Einkauf einladen. Diese Inseln des
Kapitalismus dienten zuerst ausschließlich dem Konsum. Zumeist ist es nur möglich mit dem Auto
dorthin zu gelangen, weil die Mall außerhalb des Stadtzentrums
errichtet wurde. Mittlerweile hat das Main-Taunus-Zentrum zunehmend
eine eigene urbane Identität erlangt, indem sich eine Infrastruktur
entwickelt, die immer mehr einer Wohnstadt ähnelt.
Hieraus
ergeben sich mehrere Fragestellungen:
Wie kann einem weiteren
Funktions- und Bedeutungsverlust der Innenstädte, Stadt- und
Stadtteil- und Ortszentren entgegen gewirkt werden?
Wie erfolgsversprechend
kann die öffentliche Hand sein, bei dem Versuch der
Städtebauförderung und der Aufwertung des öffentlichen Raums und
örtlicher Einzelhändler einen Ort des Konsums außerhalb der
städtebaulich integrierten Lagen einzurichten?
Wie steht es mit der
Erreichbarkeit dieser Standorte?
Wie kann der Zugang aller
Bevölkerungsteile an Konsummöglichkeiten gesichert werden?
Stephan Wildhirt betont in
seinem Vorwort zum vorliegenden Band, daß eine nachhaltige
Entwicklung der Stadtregion den Anforderungen der globalisierten
Ökonomie und Standortkonkurrenz zu entsprechen hat. Globale
Stadtregionen sind komplexe metropolitane Gebilde, deren
Entwicklung aus einer engen Verflechtung mit lokalen und globalen
Entwicklungen in Ökonomie und Politik entsteht. Was die „alte“ Stadt
noch durch eine reiche Nutzungsvielfalt auf engstem Raum leistete,
verteilt sich nunmehr weitläufig und auseinander. Dabei bilden sich
jenseits der Kernstädte neue Knotenpunkte des Alltagslebens.
Bislang hat sich die
Forschung vor allem mit den physischen, sozialen und ökonomischen
Erscheinungen der „globalen Stadt“ befaßt. Hier setzt die Studie an,
die im Jahr 2004 am Institut für Stadt- und Regionalentwicklung der
FH Frankfurt am Main entstand. Sie geht von der Hypothese aus, daß
sich in den neuen „Zentren außerhalb der Zentren“ bedeutende
Aktivitäten des öffentlichen Lebens herausbilden, die hier als
„alltagsrelevante Orte“ bezeichnet werden. Gleichzeitig entsteht die
Diskussion der „Zwischenstadt“. Alltagsrelevante Orte können
„globaler“ als auch „lokaler“ Prägung sein. Diese Orte können
konkrete Raumsituationen von hoher Intensität in sozialer wie
gestalterischer Hinsicht abgeben.
Die Arbeit
ist in inhaltlich in drei Teile gegliedert:
I. Wissenschaftlicher
Kontext
Der erste Abschnitt
bildet den wissenschaftlichen Hintergrund der Studie. Es geht um die
Erscheinungsformen der Verstädterung. Unterschiedliche Studien
vermitteln das Phänomen der „globalen Stadt“ und der zunehmenden
stadtregionalen Verflechtungen.
- Von der
Stadt zur Stadtregion
- Theorien zur
globalen Stadtregion
II. Die Stadtregion
Rhein-Main. Entwicklung, Raumstruktur, Nutzungsweisen
Im zweiten Teil geht es in
bezug auf die Gesamtregion um ein Grundverständnis der
Wachstumsmuster und der Entwicklungsmechanismen der Rhein-Main
Region. Dabei werden Struktur und Themenkarten entwickelt und durch
Fotos und Texte ergänzt.
- Großräumige
Lage und Abgrenzung der Region Rhein-Main
- Rhein-Main
als "eine" Stadt(region)
- Kommunale
Identitäten
- Historische
Entwicklung und Flächenwachstum
- Topographie
und Naturraum
-
Siedlungsraum und Kulturlandschaft
-
Agglomerisationstrukturen
- Urbanes
Zentrensystem
- Mobilität in
der Stadtregion
-
Freiraum-Netze
- Konsumieren
in der Stadtregion
-
Dienstleistungsstandorte und Business Parks
-
Großinfrastrukturen für Sport und Events
III. Zentren außerhalb
der Zentren. Fallstudien zu „alltagsrelevanten Orten“ regionaler
Ausstrahlungskraft
Im dritten Teil werden
anhand von detaillierten Einzelstudien fünf alltagsrelevante Orte
ausgesucht und deren Nutzung analysiert. Die Shopping Mall des
Main-Taunus-Zentrums, der großflächige Einzelhandelsschwerpunkt in
Dreieich-Sprendlingen, die „Neue Stadtmitte“ in Schwalbach am
Taunus, die „alte Stadt“ Dreieichenhain und das Freizeitareal der
Dietesheimer Steinbrüche stehen dabei ganz exemplarisch für ganz
unterschiedliche Typen von neuen „Zentren“.
- Zur
Untersuchungsmethodik
- Die
Shop-Polis. Main-Taunus-Zentrum
- Sprawl City.
Kommerzielle Mitte in Dreieich-Sprendlingen
- Die
vergessene Stadt "Neue Stadtmitte" Schwalbach am Taunus
- Die alte
Stadt. Dreieichenhain
- Jenseits der
Stadt. Dietesheimer Steinbrüche
Daraus
ergeben sich grundlegende Fragestellungen:
- Welche sind
die alltagsrelevanten Orte der erweiterten Stadtregion?
- Wo befinden
sie sich und wie werden sie genutzt?
- Inwiefern
unterscheiden sie sich?
- Welche
Typologien lassen sich unterscheiden? Gibt es eine
Differenzierung von Orten eher „globaler“ und eher „lokaler“
Ausprägung?
Eine andere Arbeit zum
Thema Shopping Mall ist die von Ellen Bareis. Ihr Vortrag "Shopping
Mall und Quartier. Alltägliches Leben, soziale Kämpfe und Konsum im
postfordistischen Städtischen" wird wie ähnliche Vorträge beim
Deutschen Werkbund immer wieder thematisiert. So steht Bürklins und
Petereks Buch im unmittelbaren Kontext zum Vortrag von Ellen Bareis,
der am 9. März 2007 beim Werkbund gehalten wurde. Ihre Untersuchung
versucht das Mercado-Einkaufszentrum in Hamburg Altona, das über einem ehemaligen
jüdischen Friedhof gebaut wurde mit der Gropiusstadt in Berlin zu
vergleichen. Darin wird das Recht auf die Stadt und das
Teilnahmerecht einer globalen Bevölkerung ausdrücklich betont. Darin
werden Themen wie Raumerwartung und über das Symbolische behandelt.
Sie plädiert für ein integriertes Modell, insofern sie
Kundenparlamente aufzeigt. Das erinnert an die
Vorstellung, daß Einkaufszentren immer mehr die Eigenschaften von
Ortschaften annehmen. Sie fordert demgemäß planungsrechtliche
Änderungen, weil sonst städtebauliche Schäden überhand nehmen. Wobei
Shopping Malls in ihrer Architektur zeitlich begrenzt maximal auf 30
Jahre angelegt sind und dann wieder verschwinden oder erneuert
werden. Sie erwähnt außerdem die Verkehrsströme, die durch
Wohngebiete gesteuert werden, um die Einkaufszentren außerhalb
versorgen zu können. Das bedeutet, die Expansion der
Städte belastet die Regionen zusätzlich.
Lokale Identitäten in der
globalen Stadtregion
"Alltagsrelevante Orte" im
Ballungsraum Rhein-Main
von Thorsten Bürklin und
Michael Peterek
Wissenschaftliche
Buchreihe
Stadt und Raum im
globalen Kontext, Band 1
IKO Verlag, Frankfurt am
Main/London 2006
191 Seiten, broschiert
mit zahlreichen
Abbildungen
ISBN3-88939-817-0
Preis: 20 €uro
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