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Auf dem Foto Dr. Johannes Fiala |
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom
09.02.2018, Az. V ZR 311/16) entschied, dass ein
Grundstückseigentümer, der einen Handwerker Reparaturarbeiten am
Haus vornehmen lässt, gegenüber dem Nachbarn verantwortlich ist –
also haftet. Im vorliegenden Fall war das Haus nach
Dachdeckerarbeiten durch ein Glutnest abgebrannt und hatte das
Nachbargrundstück beschädigt.
Sorgfältige Auswahl des Handwerkers ändert an dieser Haftung
nichts
Der Handwerker war nicht ausreichend versichert gewesen – und
geriet in Insolvenz. Der geschädigte Nachbar hatte keine Chance
die Beeinträchtigung durch Unterlassungsklage unterbinden zu
lassen, § 1004 I BGB. Dies wiederum eröffnete rechtlich den Weg
zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, analog § 906 II 2
BGB, ganz ohne dass dies ein Verschulden erfordert.
Der Ausgleichsanspruch war mit der Schadensregulierung auf den
Gebäudeversicherer des Nachbarn übergegangen und Anlass für
diesen Rechtsstreit, § 86 I 1 VVG. Es könnte auch ein
Hausratversicherer oder Geschäftsinhaltsversicherer klagen, denn
anspruchsberechtigt sind auch Mieter und Pächter (BGH, Az. V ZR
389/99). Der Ausgleichsanspruch ist subsidiär – andere
Schadensersatzansprüche wären vorrangig, z.B. bei strafbarem
Verhalten des Hausherren.
Eine Sylvester-Rakete ist noch keine grobe Immission
Verirrt sich eine Rakete an Sylvester, haftet der Verursacher
nicht (BGH, Urteil vom 18.09.2008, Au. V ZR 75/08), denn der
„nachbarrechtliche Grundstücksbezug“ ist hier nicht schon
deshalb gegeben, weil die Rakete gerade vom Nachbargrundstück
her abflog. Genauso fehlt einer Brandstiftung der „spezifische
Grundstücksbezug“.
Gehaftet wird jedoch für übergreifendes Feuer, Rauch, Baustaub,
Ruß, Löschwasser, sowie Laub von Bäumen welche wegen
Fristablaufes nachbarrechtlich nicht mehr beseitigt werden
müssen (BGH, Urteil vom 27.10.2017, Az. V ZR 8/17). Darin
eingeschlossen sind auch gefährliche Grundstückszustände, durch
einen Feuerplatz oder Lagerung gefährlicher Materialien, sowie
eigene gefährliche Arbeiten als Heimwerker oder Hobbybastler.
Die Immissionen dürfen jedenfalls nicht solche sein, die ein
Nachbar ohne Ausgleich zu dulden hätte, weil sie zumutbar und
zulässig ist.
Quasi-Gefährdungshaftung durch Richterrecht belastet sogenannte
Nachbar-Störer
Bei Haus- und Wohneigentum besteht keine gesetzliche
Versicherungspflicht. Ebenso unterliegen Handwerker keinem Zwang
zum Abschluss einer Pflichtversicherung. Wer Handwerker
beauftragt kann diese nach Ihrer Betriebshaftpflichtversicherung
fragen – und darin enthaltenen Deckungslücken. Oder der
Eigentümer schließt eine Grundstückshaftpflichtversicherung ab,
die dies enthalten sollte.
Wer zu den 85% der Bevölkerung mit Privathaftpflicht gehört,
könnte auch prüfen ob darin von seinem Einfamilienhaus mit
Grundstück ausgehende Schäden bereits versichert sind. Zudem
kann diese Prüfung helfen, eine Doppelversicherung zu vermeiden.
Am Ende haftet der Handwerker – in der Kette zunächst der
Wohnungs- oder Hausbesitzer
Bisher wähnten viele, dass der Gebäudeversicherer des Nachbarn
auf dem Schaden sitzen geblieben wäre, etwa wenn der Handwerker
als verantwortlicher Verursacher insolvent geworden ist, und den
Auftraggeber kein Verschulden etwa bei der Wahl des Handwerkers
trifft. Denn eine Gefährdungshaftung ganz ohne Verschulden, wie
etwa beim Kfz und Tierhalter, gibt es bei Grundstücken und
Gebäuden nicht. Nun haftet auch der Auftraggeber des Handwerkers
aus einer „Quasi-Gefährdungshaftung“ für Schäden im
nachbarrechtlichen Verhältnis per Ausgleichsanspruch auch ganz
ohne Verschulden, also auch bei sorgfältiger Auswahl des
Handwerkers.
Wirklich überraschend ist das BGH-Urteil nicht, weil der
nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch bereits beim Brandschaden
aufgrund defekter Elektroleitungen, sowie Wasserschaden in der
Folge eines Rohrleitungsbruches so entschieden worden war.
Ausreichend sind Störungen, die tatsächlich nicht mehr abgewehrt
werden können – also plötzlich auftretende Schäden.
Haftungsgefahr für Ehegatten, sowie dingliche Besitzer wie
Mieter, Pächter, Wohnberechtigte
Im vorliegenden Fall traf die Haftung auch die Ehefrau des
Eigentümers, weil diese „die Nutzungsart des Grundstücks
mitbestimmte“ (BGH, Az. V ZR 308/89). Damit müssen auch Mieter,
Pächter, Wohnrechtsinhaber etc. ähnlich umsichtig den eigenen
Versicherungsschutz planen – bevor von ihnen beauftragte
Handwerker mit Arbeiten beginnen.
Deckungslücken in der Privathaftpflicht ?
Die Privathaftpflichtversicherung umfasst im Grundsatz
gesetzliche Haftungsansprüche. Der Nachbarrechtliche
Ausgleichsanspruch ist indes bisher nicht generell als (quasi-)gesetzlicher
Haftpflichtanspruch privatrechtlichen Inhalts, und damit als
stets versichert ausgeurteilt worden.
Der BGH (Urteil vom 01.06.1999, Az. V ZR 377/98) hat jedoch
Substanzschädigungen als von der Privathaftpflicht versicherbar
gesehen. Besser wäre eine entsprechende Klausel in den
Bedingungen, wonach jedwede Rechtsansprüche nach § 906 II 2 BGB
gedeckt sind.
In den Privathaftpflichtversicherungen gibt es einen „Umweltausschluss“,
der jedoch in den Versicherungsbedingungen teilweise abbedungen
ist: Schäden durch Immissionen – wie etwa Ruß - sind – von
Versicherer zu Versicherer unterschiedlich – nur partiell als
mitversichert eingeschlossen.
Besonderheiten bei Wohnungseigentum (WEG)
Handelt es sich um ein Gebäude im Bruchteilseigentum, mit
Zuweisung einer Wohnung jeweils zur alleinigen Nutzung an einen
Eigentümer, kommt § 906 II 2 BGB nicht zur Anwendung, denn die
Störung geht nicht „von einem anderen Grundstück“ aus (BGH, Az.
V ZR 137/11).
Genauso verhält es sich bei Störungen die vom
Gemeinschaftseigentum einer WEG auf das Sondereigentum ausgehen;
sowie bei zwei betroffenen Mietern innerhalb desselben
Grundstückseigentums (BGH, Az. V ZR 180/03).
Erfolgt die Störung von Sondereigentum auf benachbartes
Sondereigentum innerhalb einer WEG, so besteht jedoch ein
Ausgleichsanspruch nach § 906 BGB (BGH, Az. V ZR 230/12); wobei
dieser Rechtsanspruch auch benachbarten WEG-Mietern zustehen
kann.
Bei der Versicherung auf fremde Rechnung, ist der
Versicherungsnehmer (VN) verpflichtet beim Versicherers (VR) aus
einem Treuhandvertrag mit Bereicherungsverbot, die
Versicherungsleistung einzuziehen und an den Geschädigten
auszukehren (BGH, Urteil vom 16.09.2016, Az. V ZR 29/16). VN
kann die WEG sein, § 10 VI 1 und 2 WEG. Versicherte Personen
(VP) sind die Wohnungseigentümer mit Ihrem Sondereigentum sowie
ideellen Anteilen am Gemeinschaftseigentum. Mit Veräußerung
einer Wohnung tritt der Erwerber an dessen Stelle, § 95 I VVG.
Dann steht die Versicherungsleistung jener Person zu, welche im
Zeitpunkt des Schadenfalls der Eigentümer ist.
Ob der Hausverwalter für Versicherungsdeckung zu allen denkbaren
Fällen des § 906 II 2 BGB in der Gebäudehaftpflicht gesorgt hat,
sollten Eigentümer, Mieter und Pächter bestenfalls abfragen.
Der Hausverwalter schließt die Haftpflichtversicherung in der
Regel als VN ab, und nicht als Bevollmächtigter im Namen der
Eigentümer (BGH, Urteil vom 29.04.2009, Az. IV ZR 201/06), weil
es anderenfalls ein (Sonder-)Kündigungsrecht für neue
WEG-Eigentümer gäbe, § 96 I VVG.
Verhalten nach dem Schadensfall ?
Im Zweifel ist jener VN im Nachteil, der sich den Gutachtern
oder dem Sachverständigenverfahren des VR unterwirft. Im Vorteil
sind jene VN, die sich unabhängige Gutachter leisten können –
nötigenfalls auch ein gerichtliches Verfahren zur sofortigen
Beweissicherung bevor mit Aufräumarbeiten, Reparaturen oder
Wiederaufbau begonnen wird.
Bei Gebäudeversicherungen kommt es regelmäßig zum Einwand des
VR, es liege eine Unterversicherung vor. Dies verfängt jedoch
meist nicht, weil der VR zu sorgfältiger Beratung und
Hilfestellung verpflichtet ist soweit es um den „Gebäudewert
1914“ als Maßstab für die Höhe der Versicherungssumme geht. Auf
die Beratungspflicht eines Versicherungsmaklers kann sich der VR
dann auch nicht berufen (LG Itzehohe, Urteil vom 06.04.2018, Az.
3 O 143/13). Bei derartiger Unterversicherung schuldet der VR
seine (Mehr-)Leistung dann als Schadensersatz für Falschberatung
dem VN.