Zukunft Lebensräume: Zur Vortragsreihe Architektur und Demenz

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Allein am 30. April 2015 von 14:15 - 16:45 Uhr liefen vier Vorträge auf dem Messe- und Konferenzmeetin "Zukunft Lebensräume" neben zeitgleichen Workshops. Die Konferenz mit Veranstaltungen findet auch im nächsten Jahr mit neuen Themen und Schwerpunkten statt. Die ersten beiden Vorträge in dieser Reihe waren von Gesine Marquardt und Christine Degenhart und wurden schon in den Beiträgen vorher erwähnt. Der dritte stammt von Bettina Rudhof, ihres Zeichens Alternswissenschaftlerin aus Frankfurt am Main, die anhand wissenschaftlicher Erklärungsmodelle die praktische Arbeit im Umgang mit Demenzkranken näher brachte.

 

Moderation dieser Folge an Nachmittagsvorträgen hatte übrigens Hans-Peter Bröckerhof, der Herausgeber der Zeitschrift E-Health Com ist. Der vierte Vortrag wurde in englischer Sprache von dem Belgier Patrick Verhaest vorgetragen, siehe auf dem Foto. Der kommt vom Expertenzentrum für Demenz aus Antwerpen und befasste sich mit architektonischen Baumodellen. Zahlreiche Gebäudeentwürfe einschließlich Grundrissen und Ansichten wurden präsentiert und erläutert. So nannte er eine runde Bauweise förderlich in Bezug auf die Auswirkungen der Demenzerkrankung. Eine Vernetzung der Bauweisen sei förderlich, aber auch die wohnliche Behaglichkeit spiele eine Rolle. Eigene Möbel zählen ebenso zum Konzept wie eine kombinierte Bauform in unterschiedlichen Teilbereichen etwas bedeuten. Letztlich entstand ein umfassender Eindruck über die aktuelle Bauweise im belgischen Raum in Bezug auf Einrichtungen für Demenzerkrankungen.

 

Doch zurück zu Bettina Rudhof, sie zitierte in ihrem Vortrag zunächst den englischen Sozialpsychologen Tom Kitwood (1937 - 1999), der die elementare Bedeutung erkannte und damit die Grundhaltung meinte, die einem Menschen und damit auch einem Demenz Erkrankten zu dessen Wohlbefinden entgegengebracht wird.

 

Kitwood bewertete auf revolutionäre Weise ebendiese Haltung als bedeutsam im Verlauf des Abbauprozesses als neuropathologische Veränderung. Die These, dass eine die Person erhaltende und fördernde Umgebung, zum Beispiel eine Hausgemeinschaft für demenziell Erkrankte, den Abbauprozess der Demenz verlangsamen kann, ja, dass es sogar zur so genannten „Remenz“, also der Wiederkehr verlorener Fähigkeiten komme.

 

Wesentlich sind die Umgangsformen, um verbliebene Fähigkeiten und gute Laune zu erhalten und wiederherzustellen. Die Person im hier und jetzt zu halten, wurde gesagt. Die räumliche und zeitliche Vergesslichkeit rückgängig machen, sei ein großes Anliegen. Leib und Seele zusammenhalten. Eine Möglichkeit biete Essen und Trinken. Die Gegenwart eines anderen Menschen empfinden, gehöre auch dazu.

 

Vorbildliche Pflegeinrichtungen unterhalten 10 - 12 Einzelzimmer. Die Umstellung auf hauswirtschaftliche Versorgung sei elementar zu verstehen. Das bedeutet zugleich die Abschaffung des Tablettsystems. So hob Bettina Rudhof am Beispiel einer Einrichtung für Demenzkranke der Reemtsma-Stiftung in Hamburg die zeichenhafte Ausstattung der Räume hervor. Nannte rotweiß karierte Tischdecken, die beim Gelingen der Arbeit helfen würden. Ein Nachtcafé böte auch um 3 Uhr morgens einen Service an und sei offen für jedermann. Das soll nur die Bereitschaft zeigen, offensiv gegen Demenz anzugehen. Lichtquellen ab 2500 Lux steigern die positive Stimmung. Beteiligt an körperlichen Funktionen sei Melatonin und der Botenstoff Senotonin, die Auswirkungen auf Wohlbefinden, Traurigkeit sowie den Tag-und-Nacht Rhythmus haben.

 

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Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 26. Mai 2015