Decentering Urban Informality in and from Mexico City

The Global City and its Other (2014) von Frank Müller erschienen in der Reihe: Fragmentierte Moderne in Lateinamerika. Edition Tranvia

Buchumschlag: Edition Tranvia

Mischung aus Chaos, Verdichtung der Bevölkerung, Migration und die Extreme sozialer Polarisierung sind die Säulen, die Mexiko-City heutzutage kennzeichnen. Das geht zumindest aus den Äußerungen des Chronisten Carlos Monsiváis (1938 - 2010) hervor. Er beschreibt wie das postmoderne Megalopolis, die große Stadtlandschaft aufsteigt. Dies wurde erst durch die Moderne und durch wirtschaftliche Gegensätze, Kommerzialisierung des urbanen Raums, Festivalisierung seiner Geschichtlichkeit und Medialisierung der Kommunikation ermöglicht.

 

"Informality" reproduziert eine Form des internen Kolonialismus und eine Form des "othering". Das bedeutet die Trennung einer Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, von anderen Gruppen. Das läßt sich anschaulich am Beispiel Mexico-City in mehrere mikroräumliche Umgebungen zwischen Immobilienmakler, öffentliche Planer, Einwohner und Nachbarschaft einteilen. Die Bedeutung des Wortes "Informality" ist zwar aus der Praxis im Umgang mit städtischer Armut entlehnt, ist jedoch irreführend, wenn Gemeinden vor Zugriff auf Einmischung in die Stadtplanung marginalisiert werden. Denn "informality" gilt auch als Allianzschmiede im emanzipatorischen Kampf um Wohnungsbau und Landbesitz.

 

Dies und mehr behauptet Frank Müller in seiner 355seitigen Forschungsarbeit aus der Edition Tranvia. Der Inhalt umfaßt acht Kapitel. Der Verzeichnisbaum mit Unterkapiteln ist entsprechend umfangreich. Die Texte im broschierten Band sind auf normalem Druckpapier zum Teil farbig bebildert. Farbiger Druck ist in Diagrammen und farbigen Tafeln manchmal zweckmäßig, die farbliche Wiedergabe der Bilder auf normal bedrucktem Papier entfaltet nicht immer seine hervorragende Wirkung. 

 

Mexiko-City ist an das System der Weltwirtschaft angebunden, deren Strömungen stets aus den vielfältigen Beziehungen genährt werden, wozu Migration, Kommunikation, Finanzen und Güter und ein Konstrukt der überlappenden Kosmologien zählen. Dabei steht die Stadt vor einem gewaltigen Konflikt, der zwischen Wasser und Boden, Strömung und Festigkeit, Dynamik und Statik entscheidet. Diese Gegensätze erklären sich aus einer Synthese heterogener Überbrückungsräume, Favelas und Slums, sowie geometrisch feststehender Räumlichkeiten, den Stadthäusern. In Monsiváis metaphorischer Abstraktion erscheint Urbanität wie das "Erfordernis zum Zusammenleben". Das heißt, heimatlich und bodenständig sein, was auch soziale Formen der Überwachung und der Unterscheidung beinhaltet. Die Polizei oder sogenannte werden hier als moralische Autorität zur Überwachung des menschlichen Verhaltens herangezogen.

 

Worauf das Zentrum von Mexiko-City gründet, war früher einmal das politische Zentrum von Tenochtitlan. Einer Stadt auf dem Wasser umgeben von schwimmenden "Chinampas", das sind Flechtboote aus Schilf. In der Gegenwart ist die Ressource Wasser zu einem akuten Problem geworden. Dieser Zustand zählt mit zu den traurigsten Kapiteln in der Stadtgeschichte Mexico-Citys.

 

Die Stadt war, bevor sie zu den Global Citys zählte, schon ein bedeutendes globales Zentrum innerhalb der indianischen Kultur. Die sozio-ökonomischen und politischen Gegensätze wurden erst während der Kolonisation in der heutigen Weise geformt. Wenn man dem städtebaulichen Raster vor- und nachkoloniale Architektur gegenüberstellt, wozu auch Lebensräume zählen, so gehörte das "Recht auf Stadt" zu den typischen Eigenschaften der indianischen Vorgänger. Um positive Bedingungen wiederzubeleben, ist die Abschaffung starrer Verteilungsmuster nach Kategorien wie Zentrum und Peripherie gefordert. Diese Forderung ist verbunden mit dem Anschluß städtischer Randgebiete an das Zentrum von Mexico-City.

 

Ein Forschungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit besteht darin, wie der ungleich verteilte Zugang zum Lebensraum, dem "Recht auf Stadt" im fragmentierten Stadtraum von Mexiko-City wieder entwickelt werden kann, so daß Ordnung und Chaos sowohl im Stadtzentrum als auch an der Peripherie die gleichen Bedingungen erfüllen.

 

Der Kontrast besteht in einem Zentrum der Macht, starre Planung, und in Einbeziehung der umliegenden Stadtränder, Orte des Chaos, wo die Ureinwohner lebten. Diese Dualität gegenüber "Informality" aufzuheben, ist eine der großen Herausforderungen, welcher sich Stadt und Stadtplanung in Mexico-City stellen müssen. Es ist ein Instrument zur Differenzierung von Macht.

 

Der Begriff "Informality" ist von zentraler Bedeutung in der Stadtforschung von Lateinamerika, sowohl im Allgemeinen als auch mit Blick auf die Stadtsoziologie. Insbesondere verkörpern heterogene Überbrückungsbauten, Favelas und Slums und geometrisch verankerte Räumlichkeiten, Stadthäuser, ein Spannungsfeld zwischen Ordnung und Chaos, was sich seit Beginn der Kolonisierung auf ganz Lateinamerika als amerikanische Form der Urbanisierung übertragen hat.

 

Favelas wurden als Ausdruck und erschwerende sozioökonomische Segregation verstanden, es entstand eine "Ökologie der Angst", was zunehmend Umweltzerstörung zur Folge hatte. Rund um den Globus traten deshalb die Regierungen an, "Slum" Bewohner in soziale Wohnungsprojekte umzusiedeln.

 

In diesem Kontext führt der Band von Frank Müller soziökonomische Entwicklungen an. Der Begriff Heterotopie taucht im Text wiederholt und als Überschrift auf, ein von Michel Foucault kurzzeitig verwendeter Begriff, der Räume und Orte in ihren ordnungssystematischen Zusammenhang stellt. Aber auch Jürgen Habermas und die "Theorie des Kommunikativen Handels" sind neben weiteren wissenschaftlichen Standardwerken präsent.

 

The Global City and its Other

Decentering Urban Informality in and from Mexico City

von Frank Müller

Walter Frey Verlag, Edition Tranvia
1. Auflage 2014
Broschiert, 355 Seiten mit Abb.
Sprache: Englisch
Größe: 21 x 14,3 x 2,5 cm
ISBN: 978-3938944882

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 08. April 2015