Stadt- und Landleben

In der Stadt bauen Kaninchen dichter
Große Bauten für die ländliche Großfamilie, kleine Bauten für das städtische Pärchen

   Meldung: Goethe-Uni Frankfurt a/M, den 04. 02. 2015                                                                                 

Europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) erreichen nicht nur hohe Populationsdichten in der Stadt, sie bauen dort auch dichter und kleiner. Das haben Forscher der Arbeitsgruppe Ökologie und Evolution der Goethe-Universität in ihrer Studie zu Wildkaninchenpopulationen in und um Frankfurt am Main herausgefunden.

 

Wie sie in der online Vorabversion des „Journal of Zoology“ berichten, überwiegen in der Frankfurter Innenstadt kleine Bauten mit wenigen Ein- und Ausgängen. Darin leben nur wenige Tiere – oft sogar nur Pärchen oder einzelne Wildkaninchen. Im ländlichen Umland Frankfurts sind die Bautensysteme dagegen deutlich größer und werden von großen sozialen Kaninchengruppen bewohnt.

Journal of Zoology

 

Wer denkt hierbei nicht unwillkürlich an die Aesop Fabel von der Stadt- und der Landmaus. Zwei Gegensätze, die sich auf unterschiedliche Lebensweisen spezialisiert haben. Es handelt sich um eine Metapher, welche das Land- und das Stadtleben in die Welt der Tiere überträgt: die Armut auf dem Lande betrifft den Bauern ebenso wie die Landmaus; doch die Gefahren der Stadt lauern nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Mäuse. Im 19. Jahrhundert wurde aus der Fabel dann Satire, indem sich die Stadtmaus gegenüber der Landmaus zu profilieren versuchte. Inwiefern die Satire auf Kaninchen übertragbar bleibt, ist zu hinterleuchten. Das jetzt auch wissenschaftliche Untersuchungen auf die Idee gekommen sind und sich mit Stadt- und Landleben beschäftigen, zeigt wie sehr sich beide Lebenswelten voneinander entfernt haben, obwohl sie ökonomisch wie ökologisch voneinander abhängig sind.

 

„Der optimale Lebensraum für ein Wildkaninchen bietet sowohl Zugang zu ausreichend Nahrung als auch die Möglichkeit, in nächster Nähe Bauten anzulegen beziehungsweise schützende Vegetation aufzusuchen“, erklärt Doktorandin Madlen Ziege aus der Arbeitsgruppe von Prof. Bruno Streit. Diese Bedingungen finden sich in ländlichen, oft agrarwirtschaftlich genutzten Flächen mit ausgeräumten und offenen Landschaften zunehmend seltener. Urbane und suburbane Lebensräume entsprechen den Ansprüchen des Wildkaninchens offenbar weitaus besser.

 

Angesichts der Tatsache, dass in manchen Städten bereits von einer „Kaninchenplage“ gesprochen wird, während der Bestand in vielen ländlichen Teilen Deutschlands in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, wollen die Wissenschaftler aktuell herausfinden, ob urbane Bestände zukünftig als Quell–Populationen für den Erhalt dieser Wildtierart in Deutschland von Bedeutung sein könnten. Dazu untersuchen sie die Populationsgenetik beziehungsweise -dynamik, die Habitatnutzung und den Gesundheitszustand ländlicher, urbaner und suburbaner Wildkaninchenpopulationen.

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 06. Februar 2015