Am 10. September 2013 fand in der nach historischem Vorbild
renovierten Villa Metzler am Frankfurter Mainufer auf der
Sachsenhäuser Seite eine Lesung statt, die mit dem
Schriftsteller Andreas Maier aus der nahegelegenen Wetterau
rund um Friedberg vom Suhrkamp Verlag aus Berlin als
Lesereise an mehreren Veranstaltungsorten initiiert worden war. Nicht ohne Ironie kam der Autor auf sein neues
Buch "Die Straße" zu sprechen.
Rückbezüglich sprach er
zunächst über seine vorangegangene Folge an Werken, die
ebenfalls mit der Wetterau, seiner Heimat, zu tun haben. Den
neuen Roman bestimmen Alltagsmomente. Blicke durchs Fenster
hinter die Gardinen, die sich der Autor immer wieder
erlaubt, um eindrückliches aus Kindheit und Jugend
festzuhalten. Er hat sich das Bravo-Zeitalter der 1970er
Jahre vorgenommen. Die sexuelle Aufklärung, die dank der
Bilder-Serie des Pseudonyms "Dr. Sommer" mit den Heftchen im
Vormarsch war. Die ewiglich und jugendlich Gesinnten sollen
sich angesprochen fühlen. Dieses Thema nimmt sich der
Autor, um längerfristig darüber zu schreiben. Die vielen
amerikanischen GI's in und um Friedberg, die seinerzeit
stationiert waren, haben es ihm ebenfalls angetan beim
rezitieren aus seinem Buch. Zuweilen
treten groteske Situationen hinter dem Alltagsgewand hervor,
vor allem auf Einwohner bezogen. Das stillgelegte Viadukt
bei Friedberg ist Schauplatz mancher exhibitionistisch
veranlagten Absonderlichkeit, die im Roman zum Vorschein
kommt. Manchmal geschieht dies mit Inbrunst, wie die
Verhornung auf dem Haupt des Rindviehs thront oder das Geweih eines edlen Hirschs
gewachsen ist. Einblicke ins Revier
gewährt Andreas Maier in opulenten Ausführungen.
Moderatorin der Veranstaltung war F.A.Z. Journalistin
Sandra Kegel, die an diesem Tag unmittelbar von einer
Gerichtsverhandlung kam, wie sie sagte, und neueste
Informationen in der Verhandlungssache 'Berkéwicz gegen
Barlach' um die Rechte des Suhrkamp Verlag mitbrachte.
Anteilseigner Barlach sollte am 10. September mehr
Stimmrechte am Verlag zugesprochen bekommen, was zum
jetzigen Zeitpunkt mittlerweile wieder ganz andere und neue Ansichten
zum Verfahren hat. Die Teilnahme an der
Gerichtsverhandlung war jedenfalls der Grund für die
Verspätung mit der die Lesung anfing. Ein geordneter
Halbkreis an Zuhörern saß auf Stühlen platziert und wartete, wann es
endlich losgehen sollte. Endlich sprachen Autor und
Moderatorin angeregt die einführenden Worte. Gelegentlich
erschallte Gelächter. Nicht ohne Humor wurden die vielen
Bilder aufgenommen, die während der Lesung ganz bewußt vom
Autor gesetzt wurden. Aber nur funktionierten, wenn sie auf
ihre Untergründigkeit hinterfragt wurden. Manchmal
geschah dies direkt beim Lesen aus dem Roman und manchmal
als witziges Statement auf eine Frage der Moderatorin an den
Autor gerichtet.
Sprachlich ist der Roman sehr gängig zu lesen, ohne gleich
in oberflächliche Plattitüden zu verfallen. Diesen
Drahtseilakt des literarischen Verständnis besteht Andreas
Maier meiner Meinung nach. Was jedoch vermittelt wird, sind
Alltäglichkeiten. Was interessiert mich, was in der Bravo
von damals stand, schließlich kosteten die Hefte das eigene
Taschengeld. Sind nur ein
Produkt des weitläufigen Konsumzeitalters. Als Relikt der
Zeitgeschichte dargestellt zu werden, kann wohl nicht wahr sein.
Dabei fallen mir andere Sachen ein, wie die vielen Jugend-
und Protestbewegungen der 1970er Jahre, die bis heute ihre
Auswirkungen behalten haben. Doch diese kommen im Roman
nicht so richtig zur Geltung. Den Autor aber als
unkritischen Revierhengst zu bezeichnen, stimmt auch wieder
nicht. Dafür ist er zu aufgeschlossen. Ist seine
schriftstellerische Tätigkeit zu interessant. Ein junger
Autor, der zudem schon die Poetik-Gastdozentur an der
Frankfurter Uni übernommen hat. Langweilig sind seine Texte
nicht. Spannung erzeugt der Roman auch ohne kriminalistisch zu enden: Vielmehr ein textbezogenes
Bedürfnis nach Artikulation ist vorhanden.
Die
Straße
Roman von Andreas Maier
Suhrkamp Verlag, Berlin, 1.
Auflage
Erschienen: 09.09.2013
Gebunden, 196 Seiten
ISBN: 978-3-518-42395-0
Auch als eBook erhältlich
Leseprobe aus dem Roman
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