In
diesen Tagen wird an 50 Jahre Auschwitz-Prozesse um den
jüdischen Staatsanwalt Fritz Bauer in Frankfurt am Main
erinnert, die von 1963 bis 1965 dauerten und so etwas
wie eine historische Aufarbeitung deutscher Geschichte
während der Diktatur des Dritten Reiches darstellen.
Dazu können sich andere Nationen ebenfalls ihren Teil
denken, weil deren historische Ereignisse bis heute
nicht aufgearbeitet worden sind. Davon gibt es
sicherlich eine Reihe, die zu erwähnen wären.
Vom 23. März bis 25. Mai 2004, erinnerte vor fast zehn
Jahren das Fritz Bauer
Institut in einer eigens dafür inszenierten Ausstellung im Frankfurter Bürgerhaus
Gallus an eines der größten Schwurgerichtsverfahren der
deutschen Justizgeschichte. "Auschwitz vor Gericht - 40
Jahre danach". Das Dokumentationszentrum wagte ein seinerzeit mutiges
Ausstellungsprojekt. Zugleich wurde Besuchern
der Einblick in die Dramatik eröffnet, die damals in Frankfurt
geherrscht hat. Nur die hohen Wände starren kalt und
leer wie ehedem vor sich hin. Das soziale Gefühl in
diesen Räumen überwiegt. Das hängt auch damit zusammen,
dass im Gallus verstärkt Jugendarbeit mit
Sozialarbeitern betrieben wird. Das ist nicht jedermanns
Geschmack, bleibt aber unbedingt ein Erfordernis an den
Stadtteil mit vielen sozialen Brennpunkten. Auch das in
Kellerräumen befindliche Gallus-Theater ganz in der Nähe
besteht noch und wirkt aufgeräumt. Was sich verändert
hat, ist das näher rückende und expandierende Europaviertel, was neue Herausforderungen an die
benachbarten Stadtteile stellt.
Die historisch-dokumentarische Ausstellung wurde
seinerzeit durch zeitgenössische Kunst - teils
Auftragsarbeiten sowie ausgesuchte Werke ergänzt.
Internationale
Künstlerinnen und Künstler brachten Themen mit persönlichen Erfahrungen und aktuellen Fragestellungen
zusammen. Das Konzept ergänzte die historische
Dimension um subjektive Verarbeitungsstrategien und
gegenwartsbezogene Aspekte. Besonderes Interesse galt
jüngeren Künstlerinnen und Künstlern aus Ost- und
Südosteuropa, die sich mit dem Thema Terror und
Diktatur, der Verletzung von Menschenrechten und der
Erinnerung an Gewalterfahrungen auseinandersetzten.
Im Mittelpunkt des dokumentarischen Teils stand dabei
der Frankfurter Auschwitz-Prozess. Vor Gericht standen
anfangs 24, später 22 Angeklagte. Getagt wurde zunächst
im Frankfurter "Römer", später im Bürgerhaus Gallus, wo
besagte Ausstellung stattfand. Während der zwei
Jahre, über die sich der Prozess mit seinen 183
Verhandlungstagen hinzog, hörte das Gericht 375
Zeuginnen und Zeugen, 211 von ihnen waren Überlebende
des größten der NS-Vernichtungslager. Ihre Aussagen, die
Schlussworte der Angeklagten, die Plädoyers der
Staatsanwaltschaft und Verteidiger und die elfstündige
Urteilsverkündigung wurden auf Tonband aufgenommen.
Dieses Material bildete die zentrale Grundlage für den
dokumentarischen Bereich der Ausstellung, zu
der auch Berichte aus Funk, Fernsehen und Presse
hinzugezogen werden. Ähnliche Konzepte vertrat
vielleicht die Ausstellung
„Doppelleben" Literarische
Szenen aus Nachkriegsdeutschland im Literaturhaus
Frankfurt aus dem Jahre 2009, die ähnlich eindringlich
versuchte das deutsche Dilemma auf Herz und Nieren zu
hinterfragen.
Diese eindrucksvolle, fast schematische Vorgehensweise
ermöglichte dem Besucher, die Situationen vor Ort
direkt nachzuempfinden. Die Räumlichkeiten waren bis auf
wenige Veränderungen praktisch in demselben Zustand wie
damals zum Gerichtsprozess. Der Aufbau wirkte wie in
einer Schulaula. Es hätte auch der Bühnenaufbau im
Film "Manderlay" von Lars von Trier sein können, so
spartanisch waren die Requisiten auf ein Minimum der
sachlichen Auseinandersetzung beschränkt. Der Wert der Aufstellung
mit Ausstellungskonzept mag bleiben. Grausames, Ohnmächtiges
und
Verdrängung sind dagegen vergessen, weil nicht
mehr zeitgemäß und längst durch neue moralische Herausforderungen
an die Menschheit überdeckt. Was
die didaktische Komponente an der Sache angeht, die lebt weiter. Einer mag gelangweilt herausgegangen
sein, die andere war ungläubig oder geschockt. Was
zählt, ist das Erkennen wie die Menschen
damals lebten und was sie erlitten haben.