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Georg Koppmann, „Bei den Mühren nach der
Catharinen-Kirche zu gesehen“, 1884, Albumin, 27,1 x 38,6 cm, Sammlung
Fotografie und neue Medien, MKG |
Hamburgs südliche Altstadt wird in den 1880er
Jahren von einem Wohngebiet zu einer Lagerhausinsel umgebaut. Bevor man ein
ganzes Viertel niederreißt, lässt es die Baudeputation von Georg Koppmann
(1842-1909) fotografieren. Der Fotograf wird zum offiziell beauftragten Archivar
und dokumentiert das, was unwiederbringlich zerstört werden wird: Die historisch
bemerkenswerten Häuser, Straßen und Plätze auf der Kehrwieder-Wandrahm-Insel,
entlang des heutigen Zollkanals.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der
Speicherstadt zeigt das MKG mit über 35 Aufnahmen ein frühes Projekt, in dem die
Architekturfotografie systematisch zur Bewahrung des historischen Erbes
eingesetzt wird. Bis 1888 entsteht die Speicherstadt als Kernstück des neu
gegründeten Freihafens. Georg Koppmann fotografiert 1883/84 die über
Jahrhunderte gewachsene Bebauung der Insel und 1888 die neu entstandenen
Hafenanlagen. Seine Aufnahmen vermitteln ein Bild von der vorindustriellen
Lebensund Handelswelt am Hafenrand mit ihren unterschiedlichen sozialen
Lebenswelten. Zugleich dokumentieren sie, wie sich Hamburg, durch
wirtschaftliche Interessen geleitet, als Stadt am Wasser völlig neu erfindet.
Georg Koppmann
„Holländische Reihe, Kalkhof und Mührenfleth“, 1883
Albumin, 27,3 x 38,8 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Georg Koppmann
„Hamburg. Freihafen-Lagerhäuser, Block O. G. und H.“, 1888
Lichtdruck, 22,6 x 30,8 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Georg Koppmann
„Häuser am Mührenfleth“, 1884
Albumin, 37,4 x 27,3 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Georg Koppmann
„Mührenfleth von der kleinen Jungfernstiegs-Fährbrücke aus gesehen“, 1883
Albumin, 37,4 x 27 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Georg Koppmann
„Aussenkajen“, 1884
Albumin, 27 x 38,5 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Georg Koppmann
„Kibbeltwiete und Brooksgraben“, 1883
Albumin, 27,3 x 38,7 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Georg Koppmann
„Kehrwieder“, 1883
Albumin, 27,4 x 38,4 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Mit der Reihe „Die Sammlung Fotografie im
Kontext“ gibt das MKG, in Vorbereitung einer für 2015 geplanten umfangreichen
Überblicksausstellung über die Bestände seiner Sammlung Fotografie, einen
Einblick in die historische Fotografie.
In der aktuellen Diskussion in Hamburg um
Speicherstadt, Hafencity und Gängeviertel fällt immer wieder das Schlagwort der
Gentrifizierung. In der Kritik steht, wie gewachsene soziale Strukturen und
schützenswerte Architektur durch ungebremste Profitmaximierung modernen Bauten
und einer Umnutzung weichen.
Die Ausstellung wirft einen Blick ins 19.
Jahrhundert und zeigt, dass die Hafenerweiterung als ein frühes Beispiel dieser
Prozesse gelten kann. Mit dem Zollanschluss an das Deutsche Reich 1888 ist
zollfreier Handel nur noch in einem neu ausgewiesenen Freihafenbezirk möglich.
Dem Bau einer völlig neuen Infrastruktur mit Speichern, Quais und Kanälen
unmittelbar an der Elbe fällt der ganze Stadtteil auf der
Kehrwieder-Wandrahm-Insel und mit ihm ein „nicht geringer Theil der
eigenthümlichsten Straßen und Bauten des alten Hamburgs zum Opfer“, wie es in
einem Zeitungsbericht heißt.
Die Dokumentation der Architektur ist eine der
Hauptaufgaben der Fotografie im 19. Jahrhundert. Als Vorbild dienen Projekte wie
die Mission heliographique
der
Comission des monuments historiques,
die 1851 bedeutende französische Baudenkmäler erfasst hat. Der Auftrag an
Koppmann ist eine der ersten systematischen Erfassungen eines Stadtviertels in
Deutschland.
Koppmanns Aufnahmen aus den Jahren 1883 und
1884 werden in zwei Mappen mit je 36 Blättern veröffentlicht. Eine Mappe mit den
Aufnahmen der neuen Speicherstadt wird 1888 verlegt. Sie treffen auf ein reges
öffentliches Interesse, denn zur gleichen Zeit erscheint ein ähnlich angelegtes
Mappenwerk des Hamburger Fotografen und Verlegers Johann Heinrich Strumper
(1843-1913). Koppmans Bilder geben uns bis heute einen sehr genauen Eindruck von
der vorindustriellen Lebens- und Handelswelt am Hafenrand mit ihren
unterschiedlichen sozialen Sphären.
Es gelingt ihm, den im Verschwinden begriffenen
Stadtteil mit der Kamera zu vermessen, ohne ihn dabei Presseinformation: Die
Speicherstadt vermessen. Die Sammlung Fotografie im Kontext zu beschönigen oder
zu verklären. Neben der sachlichen Schilderung der Architektur bildet Koppmann
auch den Alltag ihrer Bewohner ab, die auf vielen Aufnahmen präsent sind und für
den Fotografen in ihren Aktivitäten innehalten. Die von großformatigen
Glasnegativen entstandenen Albumin-Abzüge ermöglichen es durch ihren
Detailreichtum, zufällige Entdeckungen in dieser stillgestellten Welt zu machen.
Die Ausstellung zeigt erstmals die Website „Historisches-Hamburg“,
ein virtueller Stadtrundgang entwickelt von der Stadtteilschule Horn, gefördert
von der Claussen-Simon-Stiftung.
Biographien
Georg Koppmann (1842-1909)
1865 gründet Georg Koppmann ein Atelier in
Hamburg, das sich vor allem auf topographische Darstellungen aus der Umgebung
der Hansestadt spezialisiert, aber auch Portrait- und Architekturaufnahmen
anbietet. Ab 1870 ist er in Braunschweig tätig, da die Geschäfte in Hamburg
wegen des Deutsch-Französischen Krieges stark nachlassen. 1871 erhält er den
Auftrag, die historischen Gebäude in Hildesheim zu fotografieren. Zudem erhält
er Aufträge in Hannover, Erfurt, Eisenach und Leipzig. Nach 1972 beauftragt ihn
die Hamburger Baudeputation, die stadthistorisch bedeutsamen Gebäude und
Straßen, die der Hafenerweiterung weichen mussten, fotografisch zu
dokumentieren. So entstanden in 40 Jahren etwa zehntausend Aufnahmen vom
historischen Hamburg.
Johann Heinrich Strumper (1843 –
1913)
Johann Heinrich Strumpers erste Aufnahmen
entstehen um 1868. 1873 gründet er die „Photographische Anstalt und Kunstanstalt
J. H. Strumper“. Sie wird ab 1874, mit Eintritt seines Bruders U. Otto Strumper
in „Strumper & Co. Kunstverlag, Anstalt für Photographie und Lichtdruck“
umbenannt. Es erscheint eine Reihe großer Mappenwerke zur Stadtgeschichte
Hamburgs: 1877 eine Mappe mit Entwürfen des Hamburger Rathauses, 1878 „Hamburgs
Privat-Bauten“, 1883 Aufnahmen aus Alt-Hamburg, Straßenbilder nach dem
Zollanschluss. Neben den Ansichten Hamburgs produziert er auch Reisefotografien
in den Mittelmeerländern und Ägypten im Auftrag der Hamburg-Amerika Linie.
Kuratorin: Esther Ruelfs,
Öffnungszeiten: Di –So 10 – 18 Uhr, Do 10 –
21 Uhr
Eintrittspreise: 10 € / 7 €,
Do ab 17 Uhr 7 €, bis 17 Jahre frei