Speicherstadt im Hamburger Hafen. Sammlung Fotografie im Kontext

 
Meldung: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, den 28. November 2013                                                 
 
Georg Koppmann, „Bei den Mühren nach der Catharinen-Kirche zu gesehen“, 1884, Albumin, 27,1 x 38,6 cm, Sammlung Fotografie und neue Medien, MKG

Hamburgs südliche Altstadt wird in den 1880er Jahren von einem Wohngebiet zu einer Lagerhausinsel umgebaut. Bevor man ein ganzes Viertel niederreißt, lässt es die Baudeputation von Georg Koppmann (1842-1909) fotografieren. Der Fotograf wird zum offiziell beauftragten Archivar und dokumentiert das, was unwiederbringlich zerstört werden wird: Die historisch bemerkenswerten Häuser, Straßen und Plätze auf der Kehrwieder-Wandrahm-Insel, entlang des heutigen Zollkanals.

 

Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Speicherstadt zeigt das MKG mit über 35 Aufnahmen ein frühes Projekt, in dem die Architekturfotografie systematisch zur Bewahrung des historischen Erbes eingesetzt wird. Bis 1888 entsteht die Speicherstadt als Kernstück des neu gegründeten Freihafens. Georg Koppmann fotografiert 1883/84 die über Jahrhunderte gewachsene Bebauung der Insel und 1888 die neu entstandenen Hafenanlagen. Seine Aufnahmen vermitteln ein Bild von der vorindustriellen Lebensund Handelswelt am Hafenrand mit ihren unterschiedlichen sozialen Lebenswelten. Zugleich dokumentieren sie, wie sich Hamburg, durch wirtschaftliche Interessen geleitet, als Stadt am Wasser völlig neu erfindet.


Georg Koppmann

„Holländische Reihe, Kalkhof und Mührenfleth“, 1883
Albumin, 27,3 x 38,8 cm



Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Georg Koppmann

„Hamburg. Freihafen-Lagerhäuser, Block O. G. und H.“, 1888
Lichtdruck, 22,6 x 30,8 cm



Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Georg Koppmann

„Häuser am Mührenfleth“, 1884
Albumin, 37,4 x 27,3 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg


Georg Koppmann

„Mührenfleth von der kleinen Jungfernstiegs-Fährbrücke aus gesehen“, 1883
Albumin, 37,4 x 27 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg


Georg Koppmann

„Aussenkajen“, 1884
Albumin, 27 x 38,5 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg


Georg Koppmann

„Kibbeltwiete und Brooksgraben“, 1883
Albumin, 27,3 x 38,7 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

 

Georg Koppmann

„Kehrwieder“, 1883
Albumin, 27,4 x 38,4 cm
Sammlung Fotografie und neue Medien, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

 

Mit der Reihe „Die Sammlung Fotografie im Kontext“ gibt das MKG, in Vorbereitung einer für 2015 geplanten umfangreichen Überblicksausstellung über die Bestände seiner Sammlung Fotografie, einen Einblick in die historische Fotografie.

 

In der aktuellen Diskussion in Hamburg um Speicherstadt, Hafencity und Gängeviertel fällt immer wieder das Schlagwort der Gentrifizierung. In der Kritik steht, wie gewachsene soziale Strukturen und schützenswerte Architektur durch ungebremste Profitmaximierung modernen Bauten und einer Umnutzung weichen.

 

Die Ausstellung wirft einen Blick ins 19. Jahrhundert und zeigt, dass die Hafenerweiterung als ein frühes Beispiel dieser Prozesse gelten kann. Mit dem Zollanschluss an das Deutsche Reich 1888 ist zollfreier Handel nur noch in einem neu ausgewiesenen Freihafenbezirk möglich. Dem Bau einer völlig neuen Infrastruktur mit Speichern, Quais und Kanälen unmittelbar an der Elbe fällt der ganze Stadtteil auf der Kehrwieder-Wandrahm-Insel und mit ihm ein „nicht geringer Theil der eigenthümlichsten Straßen und Bauten des alten Hamburgs zum Opfer“, wie es in einem Zeitungsbericht heißt.

 

Die Dokumentation der Architektur ist eine der Hauptaufgaben der Fotografie im 19. Jahrhundert. Als Vorbild dienen Projekte wie die Mission heliographique der Comission des monuments historiques, die 1851 bedeutende französische Baudenkmäler erfasst hat. Der Auftrag an Koppmann ist eine der ersten systematischen Erfassungen eines Stadtviertels in Deutschland.

 

Koppmanns Aufnahmen aus den Jahren 1883 und 1884 werden in zwei Mappen mit je 36 Blättern veröffentlicht. Eine Mappe mit den Aufnahmen der neuen Speicherstadt wird 1888 verlegt. Sie treffen auf ein reges öffentliches Interesse, denn zur gleichen Zeit erscheint ein ähnlich angelegtes Mappenwerk des Hamburger Fotografen und Verlegers Johann Heinrich Strumper (1843-1913). Koppmans Bilder geben uns bis heute einen sehr genauen Eindruck von der vorindustriellen Lebens- und Handelswelt am Hafenrand mit ihren unterschiedlichen sozialen Sphären.

 

Es gelingt ihm, den im Verschwinden begriffenen Stadtteil mit der Kamera zu vermessen, ohne ihn dabei Presseinformation: Die Speicherstadt vermessen. Die Sammlung Fotografie im Kontext  zu beschönigen oder zu verklären. Neben der sachlichen Schilderung der Architektur bildet Koppmann auch den Alltag ihrer Bewohner ab, die auf vielen Aufnahmen präsent sind und für den Fotografen in ihren Aktivitäten innehalten. Die von großformatigen Glasnegativen entstandenen Albumin-Abzüge ermöglichen es durch ihren Detailreichtum, zufällige Entdeckungen in dieser stillgestellten Welt zu machen.

 

Die Ausstellung zeigt erstmals die Website „Historisches-Hamburg“, ein virtueller Stadtrundgang entwickelt von der Stadtteilschule Horn, gefördert von der Claussen-Simon-Stiftung.

 

Biographien

 

Georg Koppmann (1842-1909)

1865 gründet Georg Koppmann ein Atelier in Hamburg, das sich vor allem auf topographische Darstellungen aus der Umgebung der Hansestadt spezialisiert, aber auch Portrait- und Architekturaufnahmen anbietet. Ab 1870 ist er in Braunschweig tätig, da die Geschäfte in Hamburg wegen des Deutsch-Französischen Krieges stark nachlassen. 1871 erhält er den Auftrag, die historischen Gebäude in Hildesheim zu fotografieren. Zudem erhält er Aufträge in Hannover, Erfurt, Eisenach und Leipzig. Nach 1972 beauftragt ihn die Hamburger Baudeputation, die stadthistorisch bedeutsamen Gebäude und Straßen, die der Hafenerweiterung weichen mussten, fotografisch zu dokumentieren. So entstanden in 40 Jahren etwa zehntausend Aufnahmen vom historischen Hamburg.

 

Johann Heinrich Strumper (1843 – 1913)

Johann Heinrich Strumpers erste Aufnahmen entstehen um 1868. 1873 gründet er die „Photographische Anstalt und Kunstanstalt J. H. Strumper“. Sie wird ab 1874, mit Eintritt seines Bruders U. Otto Strumper in „Strumper & Co. Kunstverlag, Anstalt für Photographie und Lichtdruck“ umbenannt. Es erscheint eine Reihe großer Mappenwerke zur Stadtgeschichte Hamburgs: 1877 eine Mappe mit Entwürfen des Hamburger Rathauses, 1878 „Hamburgs Privat-Bauten“, 1883 Aufnahmen aus Alt-Hamburg, Straßenbilder nach dem Zollanschluss. Neben den Ansichten Hamburgs produziert er auch Reisefotografien in den Mittelmeerländern und Ägypten im Auftrag der Hamburg-Amerika Linie.

 

Kuratorin: Esther Ruelfs,

Öffnungszeiten: Di –So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr

Eintrittspreise: 10 € / 7 €, Do ab 17 Uhr 7 €, bis 17 Jahre frei

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 30. November 2013