Friedensreich Hundertwasser. Gebaute Träume und Sehnsüchte

 

Architektur- und Wanderausstellung über einen bedeutenden Künstler des 20. Jahrhunderts im DAM in Frankfurt am Main

Foto: Maass

Friedensreich Hundertwasser, ein Sonntagsarchitekt? Das klingt überheblich. Seine Architektur sei nicht geeignet, um sie zu verallgemeinern. Besser Abstand nehmen und sich auf rationalere Techniken spezialisieren. Hundertwasser war Künstler, der lange bevor er zu architektonischen Ideen kam, Bilder malte und das nicht schlecht. Seine Stimmungen haben etwas Ureigenstes und  Unverkennbares. Es ist die harmonische Anordnung der Formen, die selten überkreuzte Linien kennt, sondern sich mit der Farbgebung fast irisierend intensiviert. Seine Bilder sind Zeichen für Menschen, deren Gemüt nach bestimmten Stimmungen verlangt. Die Tropfenform ist hier archetypisch, wie überhaupt das organisch-vegetative seine Sache war.  

 

Dann kommt Hundertwasser zur Architektur, schon 1974, als wolle er mit seiner Kunst und seinem Erfolg etwas Großes schaffen, was ihm bisweilen und letztendlich gelungen ist. Ein Künstler mit großer Hinterlassenschaft. Es darf vielleicht erwähnt werden, daß er österreichischer Jude war. Das was an Kunst aus der Kulturmetropole Wien kommt, spricht meistens ihre eigene wohlmeinende Sprache. Nicht umsonst sind die Wiener Sezessionisten berühmt geworden für ihre Kunst, weil sie in der Lage sind, unabhängig von deutschen Einflüssen etwas zu fabrizieren was wirklich stark ist und die Kunstgeschichte einen enormen Schritt weitergebracht hat. Wir dürfen gespannt sein, was uns sonst noch in der Zukunft erwartet diesbezüglich. Doch halt, es geht um eine konkrete Ausstellung, die im Architektur Museum in Frankfurt veranstaltet wird und zu der jeder Interessierte eingeladen ist, sich einen Eindruck von Hundertwasserarchitektur zu verschaffen. Danach geht die Wanderausstellung weiter an verschiedne Orte, wie auf Schloß Gottorf in Schleswig Holstein, nach Schwäbisch Hall und nach Zwickau. Zahlreiche Modelle in vielen bunten Farben angemalt, zeugen von dieser Künstlerschaft.

 

Kindergärten wie in Heddernheim, 1995 eröffnet, oder der Bahnhof in Uelzen zeigen, daß, als die Kassen der Gemeinden noch voll waren, durchaus eine Bereitschaft vorhanden war, auch ungewöhnliche Wege einzuschlagen. Solches verlangen Hundertwasserbauten nämlich. Der Künstler vertrat unter anderem die eigenwillige Idee überall in seinen Häusern, Ecken und Kanten abschlagen zu müssen, um damit dem tot bringenden rechten Winkel entgehen zu können. Zum Teil sind seine Gebäude Phantasieschlösser, die zur Wirklichkeit geworden sind, wie die „Waldspirale“ von Darmstadt, eröffnet am 15. September 2000. Unweigerlich wird man bei diesem Anblick an Park Guell in Barcelona von Gaudi erinnert, der vehement mit Jugendstilelementen agierte und damit ein phantastisches Bauwerk schuf, das zeitlos schön geblieben ist. Das wäre Hundertwasserbauten ebenso zu wünschen. Denn seine Häuser sind ebenso zeitlos schön, um sie der Nachwelt möglichst lange zu erhalten und Gebrauch von ihnen zu machen. In den Ausstellungsräumen begegnet einem zuerst das Modell vom Bahnhof in Uelzen, ein Hundertwasserbau, der am 25. November 2000 eröffnet wurde. Wenn man zur Tür reinkommt gleich links, folgt das legendäre Hundertwasserhaus in Wien, das schon am 17. Februar 1986 eröffnet wurde und damit zu einer Art Wegbereiter für alle nachfolgenden Bauten geworden ist.

 

Sinn für das dekorative gepaart mit praktischen Elementen, ist eine Kunst, die sich bei ihm bewahrheitet hat. Dieser Realismus, der vom Architekten verlangt wird mit der Kunst zu verknüpfen, ist genialisch. War nicht jener Park, den Niki de Saint-Phalle ihren „Nanas“ gewidmet hat, ebenso zauberhaft und verwunschen wie Hundertwasserhäuser es sind? Gewiß darf solche Architektur nicht zu oft vorkommen, weil in ihr zu viel Süße steckt, die den Menschen in einer von Nüchternheit erlebten Umwelt gar nicht bekommen würde. Die Gesellschaft verneint, mehr als daß sie bejaht und daran erkrankt sie. So gesehen haben Hundertwasserbauten naturheilkundlichen Wert, der auf seine Bewohner und alle die daran partizipieren einströmt. Für Kinder ist es ein Erlebnis in einer solchen Traumwelt aufwachsen zu dürfen. Das Gebäudeinnere der Hundertwasserhäuser zeichnet  sich durch eine große Menge in den Wänden und Fußböden verarbeiteter Keramikscherben aus, die trotz ihrer Bruchstückhaftigkeit eine unglaubliche Wärme in das Innere der Häuser hineintragen. Einzeln zertrümmert wurden sie Stück für Stück eingesetzt. Säulen aus den unmöglichsten Baustoffen zusammengesetzt, Brunnenanlagen, Turmspitzen aus Gold und vieles mehr zeugen von einer  großartigen Baukunst.

  Foto: Hundertwasser Archiv

Nicht nur Eigenwilligkeit beweist der Künstler hier, sondern auch das Verständnis und die Harmonisierung in herkömmlicher Bauweise offenbart sich bei der Betrachtung seiner Modelle. Wie das am Hundertwasserhaus in Wien deutlich wird. Stadtplanerisch genau integriert sich das Ensemble in die Mitte des Stadtgeschehens, reiht sich ein in die Häuserzeile mitten in Wien. Im Modell ist das Haus von fünf Seiten umgehbar, wenn man die Vogelperspektive von oben mitzählt. Das hat den Vorteil, das deutlich wird, wie rationale und künstlerische Intention miteinander verknüpft worden sind. Es fragt sich, wo Hundertwasser seine Schüler gefunden hat, ist es vielleicht die Blob-Architektur eines Greg Lynn, die hier weiterhelfen könnte? Wobei Modelle Lynns vielmehr Ausstrahlung haben, als die Umsetzung in die Wirklichkeit davon wiedergibt. Ökonomische Grenzen werden gezogen, allzu phantasiebewegtes widerspricht der Ratio. Horizontale und vertikale Bewegung dominieren. Zuversicht ist in jedem Fall vorhergesagt, wenn einmal, vielleicht in den Formen einer  "space-architecture" Lynns Modelle so umgesetzt werden, wie zur Zeit das MMK in Frankfurt ein Modell präsentiert. Ganz anders Hundertwasser, bei ihm hat sich der Traum verwirklicht, die Verwirklichung ist fast besser geworden als der Traum. Doch kritische Stimmen werden lauter nach seinem Tod, die in seiner Architektur nicht den Standard sehen wollen, sondern das exotisch-exklusive.

 

Interessant ist der Katalog, herausgegeben von Ingeborg Flagge, die das DAM als Direktorin verlassen wird und nach Bonn geht, mit zahlreichen Aufsätzen von Autoren wie Wieland Schmied, Friedensreich Hundertwasser, Arno Lederer, Gert Kähler , Patrick Zöller, Bernhard Schäfers, Micha Hilgers, Robert Fleck, Bernd Lötsch, Joran Harel,

 

Zum Schluß ist das Gedicht von Rose Ausländer angefügt, das sie dem Künstler schrieb:

 

 

Hundertwasser

 

Rotgrüne Fahrt durch

Lichttunnel saust die Zeit

Immaterielle Zeit

 

Räder Fische Übergangslinien

Mit Röntgenaugen

nimm deine Welt

wahr

 

Spiralen im Kreislauf

verschiebbarer Schienen

Was dreht sich um

alles

in allem ein

zäher gezähmter Fluß

 

Ins Haus führt ein Weg

in die rätselhaft

dingfeste Ordnung

 

Aus dem Katalog: Friedensreich Hundertwasser. Ein Sonntagsarchitekt. Gebaute Träume und Sehnsüchte, Hrsg.v. Ingeborg Flagge

 

 

 

Friedensreich Hundertwasser. Ein Sonntagsarchitekt. Gebaute Träume und Sehnsüchte

Ausstellung

Deutsches Architektur Museum Frankfurt (DAM)

19. November – 5. Februar 2006

 

www.dam-online.de

 

 

danach

 

 

Stiftung Schleswig Holsteinische Landesmuseen

Schloß Gottorf

5. März – 23. April 2006 

 

 

Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

Hauptverwaltung Schwäbisch Hall

Mai – September 2006

 

und

 

Städtische Museen Zwickau, Kunstsammlungen

10. September – 5. November 2006

 

 

 

 

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vom  30. Dezember 2005