Im Zentrum der großen
Themenausstellung zur Wiener Moderne
stehen
die berühmten ornamentalen Porträts und Landschaften von Gustav Klimt,
die ausdrucksstarken Körperdarstellungen von Egon Schiele sowie die
legendären erotischen Zeichnungen beider Künstler.
Zudem
präsentiert die Fondation Beyeler Werke von Oskar Kokoschka, Richard
Gerstl und Arnold Schönberg. Als roter Faden zieht sich die Idee des
Gesamtkunstwerks durch die Ausstellung, die für die Künstler,
Kunsthandwerker und Architekten der Wiener Secession und der Wiener
Werkstätte ein Leitmotiv war: Davon legen die Modelle und Zeichnungen
wichtiger Architekturbauten und die Möbel der bedeutendsten Architekten
dieser Zeit – darunter Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich, Josef
Hoffmann, Adolf Loos – ebenso beredtes Zeugnis ab wie die Objekte der
angewandten Kunst, allen voran diejenigen von Koloman Moser.
Es werden rund 200
Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen gezeigt, dazu Architekturmodelle,
Möbel, Textilentwürfe, Glas- und Silberobjekte, Künstlerplakate und
Fotografien.
Im
Souterrain des Museums empfängt die Besucher ein Wiener Kaffeehaus, ein
zusätzlicher Art Shop präsentiert ein speziell zusammengestelltes
Sortiment an Wien-Produkten. Der Audio Guide und ein Lesertisch mit
spezieller Literatur und Katalogen bieten weiterführende Informationen
sowie eine Wien-Musik-CD erlesenen Musikgenuß.
Liebesgeschichten und Dramen der Wiener Moderne
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Richard Gerstl, Gruppenbildnis mit Schönberg,
1907, Öl auf Leinwand, 169 x 110 cm, Kunsthaus Zug, Stiftung
Sammlung Kamm, Foto: Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm |
Wien um 1900 war eine
der Geburtsstätten der Moderne. Sie unterschied sich jedoch wesentlich
von der Avantgarde in Paris, Berlin, Antwerpen, St. Petersburg und
jenseits des Atlantiks durch ihre Vernetzung: Literaten und Maler,
Kunsthandwerker und Architekten, Journalisten und Philosophen nahmen
sich gegenseitig wahr, manchmal mit Begeisterung, manchmal mit beißendem
Spott.
Die Kaffehauskultur,
Komponisten und Kabarettisten, Freuds Psychoanalyse, die
Experimentierfreude in der Wiener Werkstätte, aber auch die Skandale um
die Wiener Secession zählen zu den Phänomenen dieser Zeit. Die
Vernetzung der in der Ausstellung »Wien 1900 - Klimt, Schiele und ihre
Zeit« präsentierten Künstler war groß und manch eine Tragödie oder
Liebesgeschichte verbirgt sich hinter der in der Fondation Beyeler
gezeigten Werke. So etwa hinter dem "Gruppenbildnis mit Schönberg"
aus dem Jahr 1907 von Richard Gerstl. Es ist mit Sicherheit Gerstls
wichtigstes Bild und bringt die Essenz des Malers auf den Punkt: Das
Werk betreibt eine Camouflage, richtet sich gegen die Bewegung der
Wiener Secession und zerstört den traditionellen Begriff vom Porträt.
Gerstls persönliches Dilemma in der Beziehung zu Schönberg kann erahnt
werden: Mathilde Schönberg war zur Zeit der Entstehung des Bildes
bereits seine Geliebte. Vielleicht wollte Gerstl seine Protagonisten im
Bild unkenntlich machen, um vor sich und Schönberg die Wahrheit über
seine Affäre zu verschleiern. Die Liebesaffäre kostete Gerstl 1908 das
Leben, als ihn ihr Ende in den Suizid trieb. Gerstl unterrichtete
Schönberg in der Malerei, doch nach Bekanntwerden der Liebesbeziehung zu
Mathilde endete die Freundschaft abrupt.
Auch die Geschichte
hinter dem Bildnis Ria Munk auf dem Totenbett von Gustav Klimt
aus dem Jahre 1911 endet mit einem tragischen Tod. Das Werk zeigt die
verstorbene Ria Maria Munk, die mit nur vierundzwanzig Jahren, wegen
ihrer unglücklichen Liebe zum Schriftsteller Hans Heinz Ewers
ihrem Leben ein Ende setzte. In der Ausstellung »Wien 1900 - Klimt,
Schiele und ihre Zeit« sind drei Werke von Gustav Klimt vertreten,
welche die junge Ria Maria Munk auf ganz unterschiedliche Weise zeigen.
Die Wiener
Werkstätte in Zürich
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Installationsansicht der Kabarett Fledermaus Installation in der
Ausstellung «Wien 1900 – Klimt, Schiele und ihre Zeit», in der
Fondation Beyeler Riehen/Basel, Rock von Oskar Kokoschka,
Rock für Lilith Lang, 1907/08, Universität für angewandte
Kunst, Wien, Kostüm- und Modesammlung, Stuhl von Josef Hoffmann,
Stuhl für das Kabarett Fledermaus, 1907, Kunsthaus Zug,
Stiftung Sammlung Kamm. Foto: Serge Hasenböhler, Basel ©2010,
ProLitteris, Zürich |
Die Wiener
Werkstätte, eine Produktionsgemeinschaft bildender Künstler und
Handwerker, wurde 1903 von dem Industriellen Fritz Waerndorfer sowie von
Koloman Moser Kraft und Josef Hoffmann gegründet. Vorbild war das
britische Arts and Crafts Movement. Ziel der Werkstätte, die mit der
Wiener Secession und der Wiener Kunstgewerbeschule zusammenarbeitete,
war die Erneuerung des Kunstbegriffs im Bereich des Kunstgewerbes.
Der Erfolg
der kunstgewerblichen Artikel war so groß, daß mehrere Filialen in
Wien und dem Ausland eröffnet wurden. Darunter auch 1916/17 die Wiener
Werkstätte AG in Zürich, deren künstlerischer Direktor Dagobert Peche
war. Gemeinsam mit Josef Hoffmann entwarf er das Geschäft an der
Bahnhofstraße. Neben der Zürcher Filiale entstanden auch noch weitere
Verkaufslokale in Karlsbad (1909), Marienbad (1916), Berlin (1916/1929)
und New York (1922).
Die
Experimentierfreude und der hohe Qualitätsanspruch der Wiener Werkstätte
wirkten stilprägend sowohl auf die Baukunst als auch auf die Gegenstände
des täglichen Lebens. Es wurden Schränke, Kommoden, Schreibtische,
Beleuchtungskörper, Stühle und Tische geschaffen sowie oft ganze
Interieurs, daneben aber auch Mode, Schmuck, Glas, Silbergegenstände und
Buchkunst. Ein konsequentes Beispiel für ein Gesamtkunstwerk stellt das
von Josef Hoffmann konzipierte und in der Ausstellung der Fondation
Beyeler umfänglich dokumentierte Kabarett Fledermaus (1907) dar,
das er von der Raumgestaltung über das Programmheft bis hin zu Möbeln
und Geschirr selbst entwarf. Stühle, Schränke, Silber- und Glasobjekte
wie auch Architekturmodelle zeugen in der Ausstellung von der breiten
Schaffenskraft der Wiener Werkstätte.
Über 70
Objekte der Wiener Werkstätte sind in Basel ausgestellt, das geht von
Koloman Moser, Dagobert Peche bis hin zu Josef Hoffmann, um nur einige
der Künstler zu nennen.
Einzigartige
Klimt–Trilogie in der Fondation Beyeler
Die Bildnisse der Ria (Maria)
Munk von Gustav Klimt werden im Rahmen der Ausstellung »Wien 1900 –
Klimt, Schiele und ihre Zeit« in der Fondation Beyeler gemeinsam
präsentiert
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Gustav Klimt, Ria Munk auf dem Totenbett, 1911,
Öl auf Leinwand, 50 x 50,5, Privatsammlung, Courtesy Richard
Nagy Ltd, London. |
Schon der Beginn um die
Entstehungsgeschichte der Gemäldetrilogie ist ungewöhnlich. Ria (Maria)
Munks Eltern beauftragten den Künstler Gustav Klimt, anhand einer
Fotografie, ein Totenbild ihrer 24- jährigen Tochter zu malen. Sie hatte
sich wegen ihrer unglücklichen Liebe zum Schriftsteller Hans Heinz Ewers
das Leben genommen.
Ein Jahr nach Klimts Gemälde Ria Munk auf dem Totenbett von 1911,
erhielt er den Auftrag ein Ganzfigurenbild der Toten zu malen. Das
hierfür entstandene Werk konnte die Eltern aber nicht zufriedenstellen,
worauf er das Bild im Atelier behielt und später zur Tänzerin (1916/18)
umarbeitete.
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Gustav Klimt, Frauenbildnis (Ria Munk III,
1917/18 (unvollendet), Öl und Kreide auf Leinwand, 181 x
90cm, Lewis Collection.
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Gustav Klimt, die Tänzerin, um 1916-18, Öl
auf Leinwand, 180 x 90cm, Privatsammlung, Courtesy, Neue
Galerie, New York.
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Auch das dritte Gemälde, das 1917
begonnene Frauenbildnis (Ria Munk III 1917/18), wurde von Ria Munks
Mutter in Auftrag gegeben. Es blieb jedoch unvollendet, da Gustav Klimt
1918 starb. Das Gebilde im rechten oberen Drittel des Gemäldes wurde als
eine Alraunenwurzel gedeutet, der magische und aphrodisierende Wirkung
zugesprochen wird (vgl. Marian Bisanz-Prakken, 2009). Die Wahl dieses
Bildmotivs ist gewiß kein Zufall, denn kurz vor Ria Munks Suizid
erschien der Roman Alraune von Hanns Heinz Ewers, der wegen seines
voyeuristischen –reißerischen Inhalts für einen Skandal sorgte.
Die gezeigte Trilogie spannt einen Bogen, vom Tod des Modells zum Tod
des Künstlers und dem damit verbundenen unvollendeten Werk.
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