Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum DAM in Frankfurt bis 22. März 2011

 

Paul Bonatz (1877-1956) Der Architekt des Stuttgarter Hauptbahnhof

 

Heroische Bauten sind ein Kennzeichen in der Architektur bei Bonatz, was mehr als umstritten gilt, weil der Nationalsozialismus diesen Stil für sich vereinnahmt hat. Wobei der Stuttgarter Hauptbahnhof viel früher in den Jahren davor noch während der Weimarer Zeit entstand. Die Bauphase dauerte von 1911 bis zu seiner Fertigstellung im Jahre 1927, was in seiner architekturgeschichtlichen Bedeutung reformorientiert ist und damit zu einem wesentlichen Anteil am Umdenken nationaler Architektursprache beigetragen hat.

  Foto: Maass  

Viele der Bonatz-Bauten waren reine Industriebauten, kolossal, weil weniger die Außenwirkung bestimmend war als vielmehr deren Funktionalität bestimmend wurde. Es sind die frühen Jahre, erste Technologien entstanden, die bis zur industriellen Reife und damit in die industrielle Produktion gingen. Ein Ausdruck dieser Monumentalität findet sich am Stuttgarter Hauptbahnhof. Der überdimensionierte Bau ist für die Verhältnisse der Stadt fast zu groß geraten. Wobei die Frontfassade gar nicht das größte Übel ist, vielmehr bereiten die langen Seitenflügel Argwohn, indem diese sich wie unendliche Kanzleien aus Kafkas Roman bis an den Stadtrand entlang ziehen.

Wenn der Abriss des Bahnhofs jetzt beschlossene Sache ist, so besteht immer noch das Gewohnheitsrecht des Bürgers auf den Bahnhof als einer Einrichtung für das öffentliche Wohl. Es kann niemandem zugemutet werden, daß ein derart wichtiger Bestandteil der eigenen Umgebung, in dieser Größe und in einer Großstadt wie Stuttgart von heute auf morgen aus der Landschaft verschwinden soll. Wo bleibt hier die Lebensqualität? Und wo kämen wir hin, wenn ein Politiker einfach über den Abriss unserer Hauptbahnhöfe bestimmen dürfte?

Dafür bietet das Konzept nicht genug neues. Ein Neubau kann deshalb nur als Ergänzung zum Bestehenden verstanden werden. Der Totalabriss ist keine Lösung. Gegen die Erneuerung der Stadt wie dem Stuttgarter Hauptbahnhof gibt es keine Einwände. Das Land ist reich, wie die gesamte Region zu den wohlhabenden im Bundesgebiet zählt. Wer so viel Geld hat, kann sich was leisten.

Stellt sich die Frage nach der unterirdischen Bebauung. Wer unterirdisch denkt, neigt immer ein Stück zum kryptischen. Das Geheimnisvolle soll geweckt werden, zu welchem Zweck wird nicht gesagt. Wofür die Stuttgarter einen unterirdischen Bahnhof brauchen, wird nicht erwähnt außer aus verkehrspolitischen Gründen. Im Gegenteil, die Kosten zu dem was sich Deutsche Bahn und das Land Baden-Württemberg ausgedacht haben, überschreiten die Vorstellungsgrenzen des Möglichen. Vor allem das Fällen alter Bäume schmerzt. Andererseits ermöglichen es die neuen Technologien und der Fortschrittsglaube durchaus den Bau eines unterirdischen Bahnhof zu bewältigen. Die Herausforderung und der Wille der Beteiligten wird über die Stuttgarter Zukunft entscheiden.

Im Jahre 1927 entstand bei einem internationalen Architekturwettbewerb die Weißenhof-Siedlung an den Hängen der Umgebung. Stuttgart ist umzingelt von hügeligen Bergen, die größtenteils bebaut sind, aber eine unkontrollierte Ausdehnung der Stadt verhindern. Bei der Bebauung ist Vorsicht im Umgang mit der Topographie geboten.

Foto: DAM, Kunsthistorisches Museum Basel, Bauzeit 1931-36

Bonatz hat zahlreiche andere Bauten entworfen und realisiert. Dazu zählt das Basler Kunstmuseum, Bauzeit 1931-36, was ein bekannter und besonderer Anziehungspunkt in Basel ist. Kunstinteressierte werden nicht umhin kommen dort vorbei zu gehen.

Das Treppenhaus im Gebäude wurde erst vor einigen Jahren restauriert und erneuert. Die tragenden Säulendurchgänge auf dem Bürgersteig und vor dem Eingang zum Innenhof haben eine eigenwillige Ausdruckskraft. Die Säulen wirken sehr massig.

Eine Eigenschaft des Kunstmuseum in Basel als auch des Stuttgarter Hauptbahnhof ist die Kühlung durch ständige Frischluftzufuhr ohne künstliche Belüftung. Wie der Architekt Bonatz dies bewerkstelligt, ist schwer zu erklären. Es ist aber unbedingt als Phänomen seiner Bauten anzuerkennen. Bei diesem Ort handelt es sich deshalb um einen genius loci.

Südliche Einflüsse in die Fassadendekoration aufzunehmen, sind typisch für den Duktus in der Architektursprache bei Bonatz. Dennoch liegt ihm die sonnendurchflutete Süßlichkeit südlicher Bauten nicht sonderlich, vielmehr dominiert eine ausgeprägte Nüchternheit oder Sachlichkeit, indem südliche Bezüge und Nüchternheit korrelieren, was nicht immer geglückt ist. Woher das schroffe Angesicht der Bonatz Fassaden rührt, hängt vielleicht mit den sparsamen Zeitumständen zusammen und den Anforderungen die resultieren. Antike Elemente spiegeln sich in den Entwürfen für Triumphbögen. Das überdimensionierte Pathos der Bögen beanspruchten später die Nationalsozialisten für sich.

Im Jahre 1943 emigrierte Bonatz in die Türkei. Er lehrte von 1946-54 an der Technischen Universität Istanbul. Zahlreiche seiner Bauten wurden in Ankara und Istanbul wie in der gesamten Türkei realisiert. Viele der Bauten bestehen bis heute in der ursprünglichen Nutzung. Darunter zählt das Opernhaus in Ankara im Baustil einer antiken Basilika. Entstanden ist der längliche Schiffsbau in den Jahren 1946-48.

 

Wolfgang Voigt, Kurator der Bonatz-Ausstellung im DAM

Kurator der Ausstellung im renovierten und wiedereröffneten DAM ist Wolfgang Voigt. Die Ausstellung läuft dort bis 22. März unter dem Namen: "Paul Bonatz 1877–1956. Leben und Bauen zwischen Neckar und Bosporus". Im Architekturmuseum wurden in jüngeren Jahren außerdem Architekten des frühen 20. Jahrhunderts, wie Hans Poelzig, Martin Elsässer oder Dominikus Böhm mit eigenen Ausstellungen bedacht. Diese Generation der frühen Reformjahre wurde somit bereits mit einer ganzen Reihe an Ausstellungen präsentiert. Auf diesem Teilgebiet gäbe es noch einiges mehr zu entdecken, auch die Jahre danach sind aus architektonischer Sicht neu zu entdecken. Wobei einer Ausstellung durchaus stärker die Möglichkeit gegeben sein sollte ein neues Bild des Architekten mit seiner Architektur zu entwickeln und zu entfalten.

Modell des Opernhauses in Ankara

 

Vor allem was sich im Umland der großen Zentren abspielt, das wird oftmals viel zu wenig berührt mangels Kenntnis der Bauten und Örtlichkeiten an denen die Bauten stehen. Das ist eine Aufforderung, damit auch unbekannte Gebäude stärker bis in den Mittelpunkt einer Ausstellung gelangen.

 

In der Ausstellung sind zahlreiche Modelle zu den Bauten aufgestellt. Neben Entwurfszeichnungen gibt es Fotos mit Bauwerken und Skizzen darüber sind Bestandteil dieser Werkausstellung. Eindrucksvoll füllen die Modelle zu Brückenbauten, Talsperren, Entwürfe verschiedener Siedlungsbauten sowie Einfamilienhäuser den engen Raum im Erdgeschoß des Museums.

 

 

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vom 15. Februar 2011