Erklärung
des Regisseurs: Der
Film ist eine Hommage an meine Heimat, aber auch an eine
besondere Art Kino, mit der ich aufgewachsen bin. Ich glaube an
Seelenwanderungen zwischen Menschen, Pflanzen Tieren und
Geistern. Die Geschichte von Uncle Boonmee erzählt vom
Verhältnis zwischen Mensch und Tier, zugleich überwindet sie die
Linie, die beide trennt.
Die Erinnerung der Zuschauer erweitert sich um eine neue, wenn
auch simulierte Schicht. In dieser Hinsicht funktioniert
Filmemachen so ähnlich, als würde man künstliche vergangene
Leben erschaffen. Ich möchte die Eingeweide dieser Zeitmaschine
erforschen. Vielleicht sind dort geheimnisvolle Kräfte am Werk,
die nur darauf warten, enthüllt zu werden. Manche Praktiken, die
als Schwarze Magie abgetan wurden, sind inzwischen ja auch
wissenschaftlich bestätigt worden. Für mich bleibt Filmemachen
eine Quelle, deren Energie wir noch nicht wirklich genutzt
haben. So, wie wir auch die inneren Vorgänge im Gehirn noch
nicht wirklich erklärt haben.
Mich interessiert auch, wie Kulturen und Arten zerstört und
ausgerottet werden. Weil ein Militärputsch den Nationalismus
angefacht hat, stehen sich in Thailand in den letzten Jahren
Ideologien unversöhnlich gegenüber. Es gibt nun eine staatliche
Behörde, die sich als Moral- Polizei versteht. Unterdrücken will
sie „unangemessene“ Aktivitäten und die Inhalte, um die es dabei
geht. Auch damit steht die Geschichte Uncle Boonmees und seines
Glaubens natürlich in Verbindung. Er verkörpert etwas, das im
Verschwinden begriffen ist; etwas, das zerfällt wie jene alten
Kinos, Theater und Schauspiel-Stile, die nicht mehr in unsere
Landschaft passen.
Website zum
Film: www.uncle-boonmee.de
Cast
Boonmee...................................THANAPAT
SAISAYMAR
Jen...........................................JENJIRA
PONGPAS
Tong.........................................SAKDA
KAEWBUADEE
Huay (Boonmee’s Wife)..............NATTHAKARN APHAIWONK
Boonsong (Boonmee’s Son)....... GEERASAK KULHONG
Roong (Jen’s friend in hotel)........ KANOKPORN
THONGARAM
Jaai (Boonmee’s chief worker).....SAMUD KUGASANG
Princess Wallapa.......................MONGKOLPRASERT
Soldier .....................................SUMIT
SUEBSEE
Farmer .....................................VIEN PIMDEE |
Crew
Produced, written and directed by.. Apichatpong
Weerasethakul
Producers..................................
Simon Field
...................................................
Keith Griffiths
....................................................Charles
de Meaux
...................................................
Apichatpong Weerasethakul
Co-Producers .............................. Hans W.
Geissendoerfer
....................................................Luis
Miñarro
....................................................Michael
Weber
Associate Producers.................... Caroleen
Feeney
....................................................Joslyn
Barnes
.......................................... Danny
Glover (Louverture Films)
............................................Holger Stern
(ZDF/Arte)
Directors of Photography........Sayombhu Mukdeeprom
............................................Yukontorn
Mingmongkon
............................................Charin
Pengpanich
Production Designer...............Akekarat Homlaor
Sound Designer.................... Akritchalerm
Kalayanamitr
Original Music ......................Koichi Shimizu |
Interview
Apichatpong Weerasethakul
Was ist für Sie das Besondere am Nordosten Thailands – und was
hat Sie zu diesem Film inspiriert?
Vor
ein paar Jahren, als ich im Nordosten lebte, bin ich der
Geschichte von Uncle Boonmee begegnet. In der Nähe meines Hauses
liegt ein Kloster und eines Tages erzählte mir der Abt von einem
alten Mann. Er sei neu im Tempel, helfe dort aus und wolle
Meditation lernen. Dieser Mann war Uncle Boonmee und irgendwann
berichtete er dem Abt, dass er während einer tiefen Meditation
seine früheren Leben gesehen habe. Sie liefen wie ein Kinofilm
hinter seinen geschlossenen Augen ab. Er sah und fühlte sich als
Büffel, als Kuh, sogar als körperloser Geist, der über die
nordöstlichen Ebenen wanderte. Der Abt war beeindruckt, aber
nicht überrascht, denn Boonmee war nicht der erste, der ihm so
etwas erzählte. Von nah und fern hatte der Abt Geschichten von
Dorfbewohnern gesammelt, die ihm von früheren Leben berichtet
hatten. Später veröffentlichte er ein kleines Buch. Auf dem
Einband stand: „Ein Mann, der sich an seine früheren Leben
erinnern kann.“ Als ich auf dieses Buch stieß, war Boonmee
leider schon viele Jahre tot.
Alle Ihre Filme enthalten stark autobiographische Elemente. Bei
UNCLE BOONMEE ist das aber anscheinend weit weniger der Fall…
Verglichen mit dem Buch über Boonmee steckt in meinem Film sehr
viel von mir. Beim Filmemachen musste ich erkennen, dass ich
einfach nicht in der Lage bin, einer Vorlage treu zu bleiben. So
habe ich nicht nur Boonmees frühere Leben verändert, ich habe
ihn auch in den Hintergrund geschoben. Im Vordergrund stehen nun
meine Stamm-Schauspieler Jenjira und Tong. Sie spielen die
Zeugen, die das Sterben dieses namenlosen Mannes begleiten. Der
Film dreht sich nicht um Boonmee, sondern um mein Verständnis
von Reinkarnation. Auf ganz natürliche Weise hat sich das zu
einer Liebeserklärung an das Kino entwickelt, mit dem ich
aufgewachsen bin, eine Art von Kino, die stirbt oder schon tot
ist. Und wieder mal hat sich mein Vater in diesen Film
eingeschlichen. Er starb – wie Boonmee – an Nierenversagen. Die
Gegenstände in Boonmees Schlafzimmer sind denen im Schlafzimmer
meines Vaters nachempfunden.
Wieder einmal haben Sie sich dafür entschieden, mit ihren
Stamm-Schauspielern zu arbeiten, ergänzt um zwei
Laiendarsteller, die Uncle Boonmee und Huay spielen. Wie haben
Sie die Besetzung für diesen Film ausgewählt? Stammen alle
Schauspieler aus dem Nordosten Thailands?
Nur
Tong kommt woanders her. Er ist der einzige, der nicht den
Dialekt dieser Gegend spricht. Für mich ist Boonmee ein
Namenloser. Aus diesem Grund kann ich diese Rolle nicht mit
einem professionellen Schauspieler besetzen, der dem Publikum
schon bekannt ist. Ich glaube, das Amateurhafte ist wichtig und
angemessen, wenn man auf den Schauspiel-Stil des frühen Kinos
abzielt. Beim Casting schaue ich mir Menschen aus allen
möglichen Lebensbereichen an. Boonmee wird nun von einem Mann
gespielt, der Metalldächer zusammenschweißt. Die Rolle seiner
verstorbenen Frau Huay besetzten wir mit einer Sängerin.
Obwohl der Titel Ihres Films auf Uncle Boonmees frühere Leben
Bezug nimmt, erklärt oder beschreibt er sie doch nie.
Ursprünglich hat das Drehbuch Boonmees frühere Leben relativ
deutlich geschildert. Ich habe mich dann aber doch entschlossen,
das der Vorstellungskraft der Zuschauer zu überlassen. Wenn man
den Film gesehen hat, weiß man natürlich, dass Boonmee ein
Büffel oder eine Prinzessin gewesen ist. Für mich aber könnte er
jedes Lebewesen im Film sein: die Käfer, die Bienen, der Soldat,
der Wels und so weiter. Er könnte sogar sein eigener Sohn sein,
der in Gestalt eines Affengeistes erscheint, oder auch der Geist
seiner verstorbenen Ehefrau. Auf diese Weise bekräftigt mein
Film eine spezielle Verbindung von Kino und Reinkarnation. Für
uns Menschen ist das Kino der beste Weg, um alternative
Universen, andere Lebenswelten zu erschaffen.
Sie haben den Film zu einer Hommage an eine bestimmte Art Kino
erklärt, das Kino Ihrer Jugend. An welches Kino denken Sie da?
Thailändisches Kino?
Ich
war alt genug, um noch die thailändischen Fernsehfilme
mitzubekommen, die auf 16mm gedreht wurden. Sie entstanden in
Studios mit starkem, direktem Licht. Die Texte wurden den
Schauspielern souffliert, die sie dann mechanisch wiederholten.
Die Monster blieben immer im Dunkeln, damit man nicht erkennen
konnte, dass sie nur billig gemachte Kostüme trugen. Die Augen
waren Rotlichter, so dass die Zuschauer diese Monster ausfindig
machen konnten. Erst später habe ich die Möglichkeit gehabt,
alte Horrorfilme anzuschauen, da drehte ich schon selbst. Sicher
haben mich auch thailändische Comics beeinflusst. Ihre Plots
waren einfach, Geister gehörten immer dazu. So ist das auch
heute noch.
Im Film gibt es deutliche Wechsel von Tonfall und Stil. Manche
Szenen wirken fast komisch und ironisch, andere wieder sehr
ernst und bewegend.
Ich
liebe es, wenn meine Filme wie Bewusstseinsströme funktionieren,
die von einer Erinnerung zur nächsten fließen. Es ist wichtig,
dieses Driften herauszustellen, weil es in UNCLE BOONMEE eben um
Reinkarnation, um wandernde Geisterwesen geht.
Sie haben von Ihrem Interesse an Seelenwanderung gesprochen.
Das kommt einem vor allem in den Schlussszenen des Films in den
Sinn. Ist es das, was mit Jen und Tong geschieht?
Diese
Szene macht sich auf sanfte Weise über die Zeitebenen und andere
Bezugspunkte des Films lustig. Ich hoffe, dass es am Ende die
Zuschauer sind, die in eine andere Wirklichkeit befördert
werden.
Geister und
fantastische Wesen tauchen auch in Ihren früheren Filmen auf,
etwa in „Tropical Malady“. In UNCLE BOONMEE aber stehen sie im
Mittelpunkt.
Der
Film konzentriert sich auf den Glauben an Wesen aus anderen
Welten, die wirklich an unserem Leben teilhaben. Mich fasziniert
die Tatsache, dass uns die Kindheit immer lebendiger erscheint,
je älter wir werden. Die Neugier auf Geister und andere Welten -
vielleicht auch die Angst vor ihnen - erwacht, wenn wir jung
sind und wenn wir sterben.
Ihre jüngsten Arbeiten haben eine deutlich politischere
Ausrichtung. Die Standbild-Sequenz in UNCLE BOONMEE
unterstreicht das. Sie unterscheidet sich stark vom Rest des
Films.
Auch
die Erfahrungen, die ich auf dem Weg zu diesem Film gesammelt
habe, wollte ich in ihn einfließen lassen. UNCLE BOONMEE ist
Teil des „Primitive Projects“. Es versucht, einige meiner
Erinnerungen an den Nordosten Thailands festzuhalten. Dafür
arbeitete ich mit Jugendlichen eines Dorfes, das auf eine
Geschichte voller politischer Gewalt zurückblickt. Wir bauten
ein Raumschiff, entwickelten Scripts und drehten auch den
Kurzfilm „A Letter To Uncle Boonmee“. Dabei haben wir schon
gezielt nach dem Haus im Dorf gesucht, das wir im späteren
Kinofilm verwendet haben. Für mich waren die Erfahrungen des
Dorfes immer mit Boonmees Existenz verknüpft. Es ist ein Ort, wo
Erinnerungen unterdrückt werden. Ich möchte das mit dem Mann
verbinden, der sich an alles erinnert. In den Foto-Sequenzen des
Films vermischen sich meine Erinnerungen mit denen Boonmees.
Apichatpong
Weerasethakul wurde 1970 in Bangkok geboren, wuchs aber in
Khon Kaen im Nordosten Thailands auf. Er schloss die Universität
von Khon Kaen mit einem Bachelor in Architektur ab, erwarb dann
einen Master of Fine Arts als Filmstudent am Art Institute von
Chicago. 1994 begann er Filme und Kurzvideos zu drehen. Seinen
ersten Kinofilm stellte er im Jahr 2000 fertig. Seit 1998 zeigt
er auch Installationen und Ausstellungen in vielen Ländern.
Seine Werke sind oft indirekt mit Erinnerungsarbeit verbunden,
die auf subtile Weise politische und soziale Fragen aufwirft.
Apichatpong bleibt unabhängig von Thailands Filmindustrie.
Experimentelle und unabhängige Filmarbeit fördert er durch seine
Firma „Kick The Machine Films“, die 1999 gegründet wurde.
„Kick
The Machine“ hat alle Kinofilme Apichatpongs produziert. 2008
startete er das „Primitive Project“, das aus mehreren Modulen
besteht.
Eines davon ist „Uncle Boonmee who can recall his past lives“.
Ein
Jahr später gab das Österreichische Filmmuseum eine Monographie
zu Apichatpong und seinem Werk heraus. Seine Kunstprojekte und
Kinofilme haben Apichatpong internationale Anerkennung und viele
Preise eingebracht, darunter drei Auszeichnungen beim
Filmfestival von Cannes: „Blissfully Yours“ gewann dort 2002 den
Preis in der Reihe „Un Certain Reagrd“, „Tropical Malady“ bekam
2004 den Preis der Jury. Apichatpongs „Syndromes and a Century“
war der erste thailändische Film, den das Festival in Venedig
für seinen Wettbewerb auswählte. Apichatpong lebt und arbeitet
in Chiangmai, Thailand. Derzeit bereitet er sein nächstes
Projekt vor, das sich dem Filmemacher und Schriftsteller Donald
Richie widmet. Der 86-Jährige Richie gilt als einer der besten
Kenner des japanischen Films.
Kinofilme
2010 UNCLE
BOONMEE ERINNERT SICH AN SEINE FRÜHEREN LEBEN (Lung Boonmee
Raluek Chat)
2006
Syndromes and a Century (Sang Sattawat) 2004 Tropical Malady (Sud
Pralad)
2003 The
Adventure of Iron Pussy (Huajai Toranong) 2002 Blissfully Yours
(Sud Sanaeha)
2000
Mysterious Object at Noon (Dokfar Nai Meu Marn)
Auswahl Kurzfilme
2009 A
Letter to Uncle Boonmee 2008 Vampire/ Mobile Men
2007
Luminous People 2006 The Anthem 2005 Worldly Desires
Auswahl Installationen
2009
Primitive/Phantoms of Nabua
2007 Morakot
(Emerald)/ The Palace/ Unknown Forces
2006 FAITH
2005 Ghost
of Asia
2005
Waterfall
Das Primitive Project
„Uncle Boonmee who can recall his past lives“ ist als Teil des
“Primitive Projects” konzipiert, das in der Provinz Isan im
Nordosten Thailands angesiedelt ist.
Neben
diesem Film besteht es noch aus verschieden Arbeiten, die sich
mit dem Leben von Jugendlichen im Dorf Nabua befassen. Dazu
zählt „Primitive“, eine Installation auf sieben Bildschirmen,
„Phantoms of Nabua“, eine Installation auf nur einem Bildschirm
sowie der Kurzfilm „A Letter to Uncle Boonmee“. Darüber hinaus
hat Apichatpong Weerasethakul in Zusammenarbeit mit der
Mailänder Edizioni Zero das Buch „CUJO“ herausgegeben. Es
enthält Dokumente und Fotografien, die mit dem „Primitive
Project“ in Isan zusammenhängen. Die Installationen und
Kurzfilme wurden in Auftrag gegeben vom Münchner Haus der Kunst,
der Foundation for Art and Creative Technology (FACT) in
Liverpool und von Animate Projects in London. In München und
Liverpool wurde 2009 das „Primitive Project“ gezeigt. Unter
www.animateprojects.com ist „Phantoms of Nabua“ permanent
abrufbar. Alle Teile des „Primitive Projects“ wurden von „Kick
the Machine Films“ und „Illuminations Films“ produziert.
llluminations Films
präsentiert
A Kick the Machine Films (THAILAND)
and Illuminations Films Past Lives (UK) Production
in Koproduktion mit
Anna Sanders Films (FRANCE)
The Match Factory (GERMANY)
GFF Geissendoerfer Film-und Fernsehproduktion KG (GERMANY)
Eddie Saeta, S.A. (SPAIN)
mit Beteiligung von
Fonds Sud Cinéma (FRANCE)
Ministère de la culture et de la communication CNC (FRANCE)
Ministère des Affaires Etrangères et Européennes (FRANCE)
gefördert von
World Cinema Fund (GERMANY)
The Hubert Bals Fund, International Film Festival Rotterdam (NETHERLANDS)
Office of Contemporary Art and Culture, Ministry of Culture
(THAILAND)
in Zusammenarbeit mit
ZDF/Arte (GERMANY)
Louverture Films (USA)
und mit
Haus der Kunst, Munich (GERMANY)
FACT (Foundation for Art and Creative Technology) Liverpool (UK)
Animate Projects, London (UK)