Zunächst sieht er mit seinem Vorschlag implizit die Trennung
zwischen Natur und politischer Ökologie vor. Veranschaulicht
durch ein Bild, indem ein Spiegel zwischen Natur und
Gesellschaft gestellt ist, was erklärt, weshalb Natur bei dem
Versuch zu reflektieren immer nur zu dem Ergebnis gelangt, das
Gespiegelte kann nur Natur sein. Gesellschaft hingegen, die sich
versucht in der Natur zu spiegeln, erzeugt nur Gesellschaft. Das
bedeutet, jeder Versuch ein Stück
Natur zurück zu gewinnen, misslingt, weil Gesellschaft dazu veranlagt
ist die Natur zu vergesellschaften und zu zivilisieren. Das steht aber
im Widerspruch zur Natur, die sich entfaltet um ihrer Geschöpfe willen.
Andererseits führt der Versuch Natur in der Gesellschaft zu spiegeln dazu, daß Natur sich
des beraubten Raumes in der Gesellschaft wieder ermächtigt und die zivilisierte
Welt einfach mit Natur überwuchert. Scheinbar ein unlösbarer
Widerspruch, der sich hier zwischen Natur und Zivilisation
gegenübersteht. Mit
dieser zweigeteilten Anschauung bietet Latour einen
Lösungsweg, der den Konflikt abmildern soll. Hypothese Die Hypothese
beruht auf der inhaltlichen Zusammenfügung der Begriffe "Ökologie" und
"Politik" und deren Sinngebung. Latour meint, die Aufgabe zu bewältigen
hätte noch nicht angefangen. Er sieht die Dichotomie, eine Zweiteilung
von Mensch und Natur. Das nennt er Subjekt und Objekt oder
Produktionssystem und Umwelt. Um diesen Widerspruch zu überwinden,
empfiehlt er die Bewegung zu verlangsamen. Es wird Zeit benötigt, um die
Dichotomien wie ein Maulwurf zu untergraben.
Drei Hemmnisse Er spricht von drei Hemmnissen auf dem Weg. Das
erste ist das wissenschaftliche Verfahren. Das ist die Natur wie sie in
ihren Beziehungen zur Gesellschaft steht. Das zweite Hemmnis ist die
Natur selbst, denn Natur droht umzukippen in Bezug auf das, was der
Mensch ihr antut. Politische Ökologie hat im Grunde gar nichts mit Natur
zu tun, sondern ist eine Mischung aus griechischer Politik,
französischem Kartesianismus und amerikanischen Naturparks. Das dritte
Hindernis jedoch ist die Politik. Das heißt, die Schwierigkeit der
politischen Ökologie sich politisch regelgerecht einzuordnen. Erste
und zweite Kammer Das erste was Latour zu beschreiben versucht, ist
die Nützlichkeit des Höhlenmythos. Der von Platon entworfene dunkle
Saal, in dem die Unwissenden angekettet sind. Sie können sich nicht
direkt anschauen und nur vermittelt über Fiktionen kommunizieren, die
auf eine Art Leinwand projiziert werden. Die zweite Kammer befindet sich
draußen. Die Welt draußen besteht aus menschlichen Entitäten,
unempfänglich für Streitigkeiten und Unwissenheiten. Sie übersteigen die
Grenzen der Vorstellung und der Fiktion. Es herrscht Gewaltenteilung
zwischen diesen beiden Kammern. In der ersten ist die Gesamtheit der
Menschen versammelt. Die zweite Kammer setzt sich ausschließlich aus
Gegenständen zusammen. Nachdem das Zweikammerkollektiv entworfen ist,
begibt sich der Autor auf den Weg seine neue Gewaltenteilung zu
verteidigen. Er benennt Vor- und Nachteile. Folgerung daraus ist eine
neue Form des Außen. Seite 76 - 77 im Buch;
Natur/Gesellschaft im Spiegelbild
Latour spricht widersprüchliche Forderungen aus, wie sie sich aus der
Zweiteilung ergeben. Er nennt seine Kammern "zwei repräsentative
Gewalten des Kollektivs", einbeziehende und ordnende Gewalt, um damit
die Kompetenzen des Kollektivs sicher abzustecken. Geteilt sind diese
nach Oberhaus und Unterhaus. Eine Auseinandersetzung zwischen
politischer Ökologie und Ökonomie scheint bei ihm ohne weiteres lösbar.
Denn am Schluß steht das gemeinsame Haus, im alten Griechenland
oikos genannt.
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Foto: Maass |
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Bruno Latour wurde 1947 in Beaune in Frankreich geboren. Seine
Arbeitsschwerpunkte liegen in der Wissenschafts- und Techniksoziologie.
Er gilt als Mitbegründer der Akteur-Netzwerk-Theorie und wurde am 28.
September 2008 in Frankfurt am Main mit dem Siegfried-Unseld-Preis
ausgezeichnet. Hier im Casino-Gebäude auf dem Campus Westend entstand das nebenstehende Foto. Die Begründung der
Jury bezeichnete ihn den „großen Erneuerer der Sozialwissenschaften“,
der als „Grenzgänger zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, Theorie
und Empirie, Moral und Politik die Mechanismen der modernen
Wahrheitsproduktion und ihre Folgen untersucht“.
In seiner Rede
bezeichnete Latour sich selbst auch als Anthropologen und verwies auf
die Bedeutung der Netzwerk Theorie. Dies geschieht im Gedenken an den
Biologen Bultmann und dessen wissenschaftlicher Laborarbeit und
Übersetzungsketten. Die Rede in vollständigem Wortlaut ist unter
nachfolgendem Link abrufbar. Die Laudatio während der Preisverleihung
hielt Peter Sloterdijk.
Bruno Latour Rede anläßlich Siegfried-Unseld-Preis 2008
Download
Zuletzt wurde ihm am 8. Februar 2010 der Kulturpreis der
Münchener Universitätsgesellschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität
(LMU) verliehen. Das Parlament der Dinge.
Für eine politische Ökologie
von Bruno Latour
aus dem Französischen übertragen von Gustav Roßler
Suhrkamp Verlag Wissenschaft, stw 1954, 1. Auflage
(Dezember 2009)
364 Seiten, Taschenbuch
Größe: 17,6 x 10,8 x 2 cm
ISBN: 978-3518295540
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