Die Frage lautet: Politische Ökologie. Was tun?


Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie (2001) Edition Zweite Moderne. Herausgegeben von Ulrich Beck im Suhrkamp Verlag
 

Als erstes, die Höhle verlassen, sagt der französische Soziologe und Philosoph Bruno Latour in seinem Buch, das 1999 in französischer Sprache und 2001 auf Deutsch erschienen ist. In der Edition Zweite Moderne herausgegeben von Ulrich Beck, 2009 dann in der Reihe Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1954 erneut verlegt. Gefragt sind diejenigen, die sich von einer Erneuerung der Politik der Natur mehr versprochen haben. Latour erkennt das Stagnieren der "grünen" Bewegung, was doch eine Veränderung und eine stärkere Einflußnahme in das öffentliche Leben zur Folge haben sollte. Die Organisation der Baustelle, so nennt er seinen philosophischen Entwurf, ist aufgebaut nach Planungsdiagrammen, mit deren Hilfe der Baustellenleiter das Eingreifen der verschiedenen Zünfte bei der Realisierung eines Bauauftrags aufteilen kann. Kein Bauwerk ist wichtiger als jenes, in dem das Kollektiv untergebracht werden soll, und dennoch wird auf kein anderes so wenig Sorgfalt verwendet. Alle für seinen Bau, seine Eleganz und Funktionalität unabdingbaren Fertigkeiten wurden kreuz und quer abgerufen und nie ließ man sie im Verbund arbeiten.
  Buchumschlag: Suhrkamp Verlag

 

 

Zunächst sieht er mit seinem Vorschlag implizit die Trennung zwischen Natur und politischer Ökologie vor. Veranschaulicht durch ein Bild, indem ein Spiegel zwischen Natur und Gesellschaft gestellt ist, was erklärt, weshalb Natur bei dem Versuch zu reflektieren immer nur zu dem Ergebnis gelangt, das Gespiegelte kann nur Natur sein. Gesellschaft hingegen, die sich versucht in der Natur zu spiegeln, erzeugt nur Gesellschaft. Das bedeutet, jeder Versuch ein Stück Natur zurück zu gewinnen, misslingt, weil Gesellschaft dazu veranlagt ist die Natur zu vergesellschaften und zu zivilisieren. Das steht aber im Widerspruch zur Natur, die sich entfaltet um ihrer Geschöpfe willen. Andererseits führt der Versuch Natur in der Gesellschaft zu spiegeln dazu, daß Natur sich des beraubten Raumes in der Gesellschaft wieder ermächtigt und die zivilisierte Welt einfach mit Natur überwuchert. Scheinbar ein unlösbarer Widerspruch, der sich hier zwischen Natur und Zivilisation gegenübersteht. Mit dieser zweigeteilten Anschauung bietet Latour einen Lösungsweg, der den Konflikt abmildern soll.

Hypothese

Die Hypothese beruht auf der inhaltlichen Zusammenfügung der Begriffe "Ökologie" und "Politik" und deren Sinngebung. Latour meint, die Aufgabe zu bewältigen hätte noch nicht angefangen. Er sieht die Dichotomie, eine Zweiteilung von Mensch und Natur. Das nennt er Subjekt und Objekt oder Produktionssystem und Umwelt. Um diesen Widerspruch zu überwinden, empfiehlt er die Bewegung zu verlangsamen. Es wird Zeit benötigt, um die Dichotomien wie ein Maulwurf zu untergraben.

Drei Hemmnisse

Er spricht von drei Hemmnissen auf dem Weg. Das erste ist das wissenschaftliche Verfahren. Das ist die Natur wie sie in ihren Beziehungen zur Gesellschaft steht. Das zweite Hemmnis ist die Natur selbst, denn Natur droht umzukippen in Bezug auf das, was der Mensch ihr antut. Politische Ökologie hat im Grunde gar nichts mit Natur zu tun, sondern ist eine Mischung aus griechischer Politik, französischem Kartesianismus und amerikanischen Naturparks. Das dritte Hindernis jedoch ist die Politik. Das heißt, die Schwierigkeit der politischen Ökologie sich politisch regelgerecht einzuordnen.

Erste und zweite Kammer

Das erste was Latour zu beschreiben versucht, ist die Nützlichkeit des Höhlenmythos. Der von Platon entworfene dunkle Saal, in dem die Unwissenden angekettet sind. Sie können sich nicht direkt anschauen und nur vermittelt über Fiktionen kommunizieren, die auf eine Art Leinwand projiziert werden. Die zweite Kammer befindet sich draußen. Die Welt draußen besteht aus menschlichen Entitäten, unempfänglich für Streitigkeiten und Unwissenheiten. Sie übersteigen die Grenzen der Vorstellung und der Fiktion.

Es herrscht Gewaltenteilung zwischen diesen beiden Kammern. In der ersten ist die Gesamtheit der Menschen versammelt. Die zweite Kammer setzt sich ausschließlich aus Gegenständen zusammen. Nachdem das Zweikammerkollektiv entworfen ist, begibt sich der Autor auf den Weg seine neue Gewaltenteilung zu verteidigen. Er benennt Vor- und Nachteile. Folgerung daraus ist eine neue Form des Außen.

    Seite 76 - 77 im Buch; Natur/Gesellschaft im Spiegelbild

 

Latour spricht widersprüchliche Forderungen aus, wie sie sich aus der Zweiteilung ergeben. Er nennt seine Kammern "zwei repräsentative Gewalten des Kollektivs", einbeziehende und ordnende Gewalt, um damit die Kompetenzen des Kollektivs sicher abzustecken. Geteilt sind diese nach Oberhaus und Unterhaus. Eine Auseinandersetzung zwischen politischer Ökologie und Ökonomie scheint bei ihm ohne weiteres lösbar. Denn am Schluß steht das gemeinsame Haus, im alten Griechenland oikos genannt.
 
 

   Foto: Maass    

Bruno Latour wurde 1947 in Beaune in Frankreich geboren. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Wissenschafts- und Techniksoziologie. Er gilt als Mitbegründer der Akteur-Netzwerk-Theorie und wurde am 28. September 2008 in Frankfurt am Main mit dem Siegfried-Unseld-Preis ausgezeichnet. Hier im Casino-Gebäude auf dem Campus Westend entstand das nebenstehende Foto. Die Begründung der Jury bezeichnete ihn den „großen Erneuerer der Sozialwissenschaften“, der als „Grenzgänger zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, Theorie und Empirie, Moral und Politik die Mechanismen der modernen Wahrheitsproduktion und ihre Folgen untersucht“.

In seiner Rede bezeichnete Latour sich selbst auch als Anthropologen und verwies auf die Bedeutung der Netzwerk Theorie. Dies geschieht im Gedenken an den Biologen Bultmann und dessen wissenschaftlicher Laborarbeit und Übersetzungsketten. Die Rede in vollständigem Wortlaut ist unter nachfolgendem Link abrufbar. Die Laudatio während der Preisverleihung hielt Peter Sloterdijk.

Bruno Latour Rede anläßlich Siegfried-Unseld-Preis 2008  Download

Zuletzt wurde ihm am 8. Februar 2010 der Kulturpreis der Münchener Universitätsgesellschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) verliehen.

Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie
von Bruno Latour
aus dem Französischen übertragen von Gustav Roßler
Suhrkamp Verlag Wissenschaft, stw 1954, 1. Auflage (Dezember 2009)
364 Seiten, Taschenbuch
Größe: 17,6 x 10,8 x 2 cm
ISBN: 978-3518295540

 

Titelseite

vom 26. Juni 2010